Nosferas
fand, das ihr geeignet schien. Sie eilte in den achteckigen Saal, stemmte eines der schmalen Ruhebetten, auf denen die Altehrwürdigen oft lagen, über den Kopf und balancierte es zu der kleinen Kammer zurück. Einen steinernen Sarkophag würde sie alleine nicht hierher transportieren können, doch in einem Raum im Westflügel, wo die Unreinen ruhten, fand sie einen leeren Holzsarg. Er war alt und wurmstichig, die Stoffbespannung muffig feucht und bereits mürbe, aber das störte Ivy nicht. Sie holte noch die Kissen aus ihrem Sarkophag, dann half sie Seymour, sich aufzurichten, und schleppte ihn in die Kammer, deren Hauptvorteil in dem schweren Riegel bestand, mit dem man die Tür von außen und von innen zusperren konnte. Besorgt betrachtete sie den tiefen Schnitt. Er blutete noch immer. Sie drückte einen Stoff ballen auf die Wunde und band ihn so fest, dass Seymour aufstöhnte.
»Ach, mein liebster Beschützer, das muss leider sein.« Das kehlige Gälisch klang holprig. Sie merkte selbst, wie schwach ihre Stimme war. Sie fühlte sich ausgelaugt und kraftlos und sehnte sich nach Ruhe. Seymour schob sie in Richtung des alten Sarges.
»Ja, ich gehorche! Ich kann die Augen kaum mehr offen halten. Ich kümmere mich um alles, wenn ich erwache.« Sie schob den Riegel vor, küsste Seymour zum Abschied auf die Stirn und legte sich dann in den Sarg. Der Deckel schwang zu.
Alisa schlug die Augen auf. War das alles wirklich geschehen? Was für eine Nacht! Ihr nächster Gedanke galt Seymour. Hoffentlich wurde der Wolf wieder gesund. Sie musste sehen, wie es um ihn stand. Alisa versuchte vergeblich, den schweren Deckel beiseitezuschieben. Wütend hämmerte sie gegen den Stein, bis er sich endlich bewegte und Hindriks Gesicht erschien. »Einen schönen guten Abend!«
»Warum dauert das denn so lange!«, herrschte sie ihn an und erhob sich. Ein rascher Blick durch den Raum zeigte ihr, dass Chiara und Joanne gerade aus ihren Särgen stiegen, von Ivy und Seymour aber war nichts zu sehen. Ihr Sarkophag war offen und leer. Ganz leer! Nicht einmal Ivys Kissen lagen noch darin. Hindrik wirkte genauso überrascht wie Alisa. Er hob die Schulten. »Mich musst du nicht fragen! Als ich euch verließ, war sie genau da, wo sie hingehört, und der Deckel ordentlich verschlossen.«
Allerdings waren die beiden nicht ganz spurlos verschwunden. Blutstropfen verliefen wie eine rote Perlenkette zur Tür und in den Gang hinaus. Alisa folgte ihnen.
»He, du musst dich umziehen. So kannst du nicht zum Unterricht!«, rief Hindrik, doch sie ignorierte ihn und eilte den Gang entlang, immer der feinen Blutspur nach, bis sie vor einer Tür mit massiven Eisenbändern stehen blieb.
Alisa pochte gegen das Holz. »Ivy? Seymour? Seid ihr hier drin?« Sie probierte die Klinke, aber die Tür schien von innen verriegelt zu sein.
»Alisa! Geh schon einmal vor. Ich komme gleich nach«, hörte sie Ivys Stimme.
Alisa klopfte noch einmal. »Wie geht es Seymour? Kann ich etwas für ihn tun? Warum hast du dich hier eingeschlossen?«
»Es geht ihm nicht gut. Er braucht Ruhe. Geh, ich komme nach!«
Die Hand noch erhoben, verharrte Alisa. Es kränkte sie, dass die Freundin sie in dieser Stunde des Schmerzes nicht bei sich haben wollte. Alisa erwog, noch einmal anzuklopfen und Einlass zu fordern, als sie spürte, dass sie nicht mehr allein in dem abgelegenen Korridor war. Sie fuhr herum.
»Ach, du bist es«, begrüßte sie Franz Leopold mit wenig Begeisterung. Trotz der frühen Abendstunde sah er schon wieder aus, als verließe er gerade einen Modesalon. Die blutverschmierten Sachen waren verschwunden, Hemd und Frack tadellos, die Haare gekämmt und mit einer Diamantnadel im Nacken zusammengefasst.
»Sie ist mit Seymour da drin, nicht wahr?« Er trat neben Alisa.
»Äußerst scharfsinnig bemerkt!«, gab sie spitz zurück.
»Ah, und du ärgerst dich, dass sie dich nicht einlassen will.« Franz Leopold zog die Augenbrauen hoch und setzte wieder diesen Gesichtsausdruck auf, dass sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte.
»Nein, ich mache mir einfach Sorgen. Seymour scheint es böse erwischt zu haben.«
»Ich weiß! Er hat mir mein Seidenhemd mit seinem Blut ruiniert.«
Alisa funkelte ihn wütend an. »Wenn das deine größte Sorge ist! Ich frage mich sowieso, wie das passieren konnte. Kaum ist Ivy in deiner Gesellschaft, wird Seymour verletzt und sie beinahe vernichtet. Ich bin beeindruckt!«
Franz Leopold trat so dicht an sie heran, dass ihre
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