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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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gehofft hatten, ihr Ausflug zur Engelsburg würde keine Folgen für sie haben, so wurden sie nun eines Besseren belehrt. Alisa konnte sich nicht erinnern, den Conte jemals so gesehen zu haben. Sein Gesicht war zu einer Maske der Wut verzerrt, sein Körper strahlte die Angriffslust einer Raubkatze aus. Sie stieß Luciano mit dem Ellenbogen an und raunte ihm ein paar Worte zu.
    Luciano schüttelte zaghaft den Kopf. »Nein, ich habe ihn bisher nur zweimal so erlebt und das war nicht angenehm. Für niemanden, der seinen Weg kreuzte!«
    »Anna Christina, Alisa, Ivy-Máire, Franz Leopold, Karl Philipp und Luciano!«, rief der Conte mit donnernder Stimme. »Mitkommen!«
    Nicht einmal die Dracas wagten es, zu widersprechen. Alisa fing einen mitleidigen Blick von Malcolm auf. Nun ja, das war immer noch besser als die Schadenfreude, die sich auf einigen anderen Gesichtern auszubreiten begann. Dennoch wollte sie nicht von ihm bemitleidet werden! Sie versuchte sich an einem selbstsicheren Lächeln und folgte den anderen hocherhobenen Hauptes hinaus.
    Von ihren Professoren eskortiert, geleitete der Conte die sechs Schüler in ein üppig dekoriertes Gemach. Er selbst setzte sich in einen Scherenstuhl, die anderen blieben stehen. »Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?«
    Vermutlich erwartete er nicht wirklich eine Antwort, und so schwieg Alisa, wie die anderen auch, und senkte den Blick ein wenig. Der Conte sprang auf und ging mit verschränkten Armen hin und her. Dabei redete er sich in Fahrt. Als er zum Ende kam, schien der Raum selbst den Atem anzuhalten.
    »Nun zu eurer Strafe. Wir werden heute Nacht mit allen jungen Vampiren das Theater Valle besuchen und ein Stück von Carlo Goldoni ansehen. Mit allen - außer mit euch! Ihr werdet unverzüglich in eure Särge zurückkehren und dort über euren Leichtsinn nachdenken. Heute und noch zwei weitere Nächte!«
    Das war grausam! Drei Nächte bewegungslos eingesperrt - allein mit der quälenden Gier nach Blut. Ja, er wusste genau, was er tat! Dennoch lächelte der Conte eher bitter als hämisch.
    »Versucht gar nicht erst, eure Särge zu verlassen, wenn wir fort sind. Ich habe den Unreinen Anweisung gegeben, eure Platten mit Steinen zu beschweren. Und nun geht.«
    Alisa warf Ivy einen Blick zu. Was würde aus Seymour werden, wenn sie sich nicht um ihn kümmern konnte?
    Beherzt trat Ivy vor. »Conte Claudio, ich kann Eure Strafe nicht annehmen. Nicht jetzt.«
    »So, kannst du nicht? Du meinst, du hast sie nicht verdient?«
    Ivy neigte den Kopf. »Ich nehme jede Strafe an - doch nicht jetzt. Zuerst muss ich Seymour gesund pflegen. Nein, sagt mir nicht, dass sich Eure Schatten um ihn kümmern werden. Ich allein kann zu ihm gehen. Daher bitte ich Euch, meine Strafe zu verschieben.« Sie hob den Kopf und ließ sich auf den Kampf der Blicke ein. Die erfahrenen braunen Augen des Conte gegen Ivys kühle türkisfarbene. Zu Alisas und vermutlich aller Überraschung wandte sich Conte Claudio als Erster ab und schritt zu seinem Scherenstuhl zurück.
    »Gut, geh zu deinem Wolf. Du kannst Leandro um Rat fragen. Er soll nachsehen, ob in der Bibliothek etwas zu finden ist, das dir weiterhilft. Sprich auch mit dem altehrwürdigen Giuseppe. Es gibt nicht viel, was ihm in seiner Zeit als Führer der Familie nicht begegnet wäre. Und nun geh.«
    Ivy versank in einen eleganten Knicks. »Conte Claudio, ich danke Euch für Eure Weitsicht.« Und mit diesen seltsamen Worten verließ sie das Gemach. Eine Weile sagte keiner ein Wort.
    Conte Claudio straffte den Rücken. »Es wird Zeit. Wir müssen uns fürs Theater umkleiden. Geht! Professore Ruguccio wird euch zu euren Särgen begleiten.«
    Luciano schlich mit hängendem Kopf aus dem Zimmer. Die drei Dracas jedoch hatten nichts von ihrer stolzen Haltung eingebüßt. Alisa versuchte, es ihnen gleichzutun. »Professore?«, wagte sie zu fragen. Ihre Stimme klang unnatürlich dünn und hoch.
    »Ja?« Sie war über den schroffen Ton nicht überrascht.
    »In dem Verlies lagen die verbrannten Überreste«, sie schluckte, »die Überreste von Raphaela und dem altehrwürdigen Marcello. Und ich habe ein Stück von einer rote Maske gefunden.« Sie zog den zerknüllten roten Samt hervor und legte ihn in die vorgestreckte Hand.
    Der Professor nickte knapp. »Ja, das ist mir bereits bekannt. Der Conte wird sich darum kümmern.«
    Alisa nickte stumm und schluckte die Fragen, die ihr auf der Zunge brannten, hinunter. Vielleicht sollte sie einen späteren Zeitpunkt

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