Nosferas
gelassen hatten. Seine Stimme klang klar und deutlich bis zu ihnen herauf. Die vier hielten inne, um keines seiner Worte zu verpassen.
»Ich habe Euch mehr als einmal gewarnt, Kardinal!« Seine Stimme war fordernd, ohne das Zittern des Alters und der Schwäche, die man bei manchen der Altehrwürdigen heraushören konnte.
»Gestern waren wieder Männer auf dem Oppius und am Kolosseum. Nein, sagt nicht, es seien nur harmlose Spaziergänger gewesen, von denen keine Gefahr ausgehe und auf die ihr keinen Einfluss hättet. Ich dulde es nicht, dass Ihr Euch nicht an Eure Abmachungen haltet. Ist es nicht erst wenige Wochen her, dass diese Grabungsmannschaft von de Rossi mit Wagen und Kisten voller Geräte bei uns erschienen ist?«
»Das ist wahr«, erklang eine tiefe Stimme. »Der Papst hat dem Archäologen ohne mein Wissen Unterstützung versprochen und ihn mit dieser Idee sogar zum König geschickt. Doch wir haben den Spuk beendet, sobald wir davon erfahren haben. Und auch dieses Mal gibt es für Euch nichts zu befürchten. Ich werde mich darum kümmern.« Ein lauernder Klang trat in seine Stimme. »Sagt uns doch, wo sich die Eingänge zum Domizil Eures Clans befinden, dann werden wir sie besonders schützen.«
Die Vampire tauschten besorgte Blicke. Was spielte sich dort unten ab? Was hatte der ehemalige Clanführer mit diesen Menschen zu tun?
Der altehrwürdige Giuseppe lachte hart auf. »Das ist Euer größter Fehler, Kardinal. Ihr haltet mich für dumm und einfältig. Hütet Euch, dass diese falsche Einschätzung nicht Eure hochtrabenden Pläne zum Scheitern bringt! Also, was sind das nun schon wieder für Männer und wann werden sie verschwunden sein? Könnt Ihr mir nun endlich garantieren, dass die Ruinen zwischen Kapitol, Palatin und Oppius uns allein gehören?«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie wieder abziehen. So wie ich es immer getan habe.« Der Kardinal klang gereizt.
»Ihr? Haben wir nicht bei der Grabung am Kolosseum selbst dafür sorgen müssen, dass keiner mehr an diesen Platz zurückkommen wollte? Nein, sagt nicht, wir könnten es ja wieder tun. Natürlich macht es uns nichts aus, ein paar späte Arbeiter zu überraschen, ihr Blut zu nehmen und ihre Leichen in theatralischer Pose zurückzulassen, um die Menschen zu verschrecken, doch was ist der Preis? Er ist hoch! Verflucht hoch! Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich wandle schon lange genug auf dieser Welt, um es zweimal miterlebt zu haben.«
Ivy schob sich sacht weiter die Treppe hinunter. Die anderen folgten ihr. Sie bewegten sich völlig geräuschlos, und obwohl an ihrer Seite eine Fackel in ihrem eisernen Halter brannte, brauchten sie nicht zu befürchten, dass ihnen Schatten vorauseilten und sie verrieten. Ivy ließ sich auf die Knie nieder und lugte um die Ecke. Sie winkte die anderen weiter und kroch dann in den Vorraum, von dem aus sie in die steinerne Kammer sehen konnten, in der die Maskierten ihre Versammlung abhielten. Hinter behauenen Marmorblöcken verborgen, konnten sie den Altehrwürdigen nun auch sehen, als er fortfuhr.
»Es fängt mit der Furcht an, die sich in die Augen der Menschen stiehlt. Dann kommt die nackte Angst und zum Schluss die Hysterie. Zuerst laufen sie in die Kirchen und beten, denn sie spüren, dass etwas Unnatürliches vor sich geht. Sie schicken Teufelsaustreiber. Früher haben sie die eine oder andere Hexe verbrannt und heute kommen die Vampirjäger. Schlächter und Aasgeier, so wie der hier!« Er fuhr herum. Sein Arm schnellte nach vorn. Der Zeigefinger berührte fast die Brust des Mannes, der vor Schreck ein wenig zurückwich. Es war der Mann, der als Letzter zu der Runde gestoßen war. Der Mann, der Seymour mit seinem Schwert fast getötet hätte. Alisa sah, wie sich der Griff der Waffe unter seinem Umhang abzeichnete. Der Mann öffnete den Mund, doch der Altehrwürdige hatte sich bereits wieder abgewandt und sprach weiter.
»Es zieht die Vampirjäger aller Länder wie Glücksritter und Goldsucher in Scharen an, wenn sich das Gerücht erst einmal verbreitet hat.« Der alte Giuseppe hielt sich sehr gerade und ging an der Tischreihe der verhüllten Männer auf und ab, bis er wieder vor dem Kardinal stand, der ein leuchtend rotes Gewand trug. So rot wie die Masken, die sie alle trugen. Der alte Vampir beugte sich zu ihm vor.
»Ihre Motive mögen sich unterscheiden, ihr Wirken zusammen ist verheerend! Ich kann und ich will nicht zulassen, dass unserer Familie so etwas noch einmal widerfährt. Nur
Weitere Kostenlose Bücher