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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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verschiedene Spuren von Menschen und Vampiren, die ihr bekannt schienen. Die Fährten der Menschen stammten alle nicht aus dieser Nacht. Nichts Ungewöhnliches. Nichts, was Ivy und Seymour beunruhigen sollte. Und doch war da noch etwas, eine ihr fremde Macht, die ihr Geist nicht so recht fassen konnte. Was war das für ein  Wesen, das diese Schwingungen hinterließ? Das Gefühl wurde immer deutlicher.
    »Ein Mensch ist es nicht«, wisperte sie. »Was dann? Ein Vampir?«
    »Wenn ja, dann keiner, den ich kenne! Ich kann keinen der uns bekannten Clandüfte ausmachen«, flüsterte Luciano heiser. Sein Körper bebte wie bei einem Menschen, der fror.
    Alisa starrte abwechselnd ihn und Ivy an. »Ich auch nicht. Aber welche Kreatur soll das sein, wenn sie nicht einem der sechs Clans angehört?«
    »Das ist genau die Frage, die mich beunruhigt. Ich habe diese Aura schon zwei Mal wahrgenommen, einmal, als ich mit Seymour alleine draußen war und auf Franz Leopold getroffen bin, und dann wieder, als wir zusammen umherspazierten. Ich habe dem aber nicht viel Bedeutung beigemessen. Sie war auch nicht so klar wie jetzt. Kommt, lasst uns zur Domus Aurea zurückkehren. Seymour ist so unruhig, das ist kein gutes Zeichen!«
    Alisa hätte zu gern mehr über das rätselhafte Wesen herausgefunden, wagte aber nicht einmal einen Versuch, die anderen zu überreden. Ivy wirkte seltsam eingeschüchtert, als sie sich von Seymour den Hügel hinaufdrängen ließ. So kannte sie die Irin gar nicht und diese plötzliche Veränderung beunruhigte Alisa mehr als alles andere.
    Später, als sie sich in ihren Särgen zur Ruhe legten, kam Alisa noch einmal auf die unbekannte Macht zu sprechen, fand Ivy jedoch ungewöhnlich abweisend. Ein wenig gekränkt schwieg sie schließlich.
    »Lass mich erst einen Tag darüber ruhen und nachdenken«, bat Ivy irgendwann. »Ich bin so verwirrt.«
    »Bei Tag kann man nicht denken!«, gab Alisa zurück. »Nicht einmal träumen kann man, solange die Sonne über dem Horizont steht.«
    Ivy nickte nur und befahl Seymour, zu ihr in den Sarg zu springen. An diesem Tag wollte sie ihn anscheinend ganz in ihrer Nähe wissen, während ihr Körper in seine todesähnliche Starre verfiel.
     

DIE BIBLIOTHEK DER DOMUS AUREA
    Endlich sprach Onkel Carmelo die Worte, auf die sie so fieberhaft gewartet hatte: »Ich gehe heute aus und werde vermutlich erst in den Morgenstunden zurückkommen. Warte nicht auf mich, mein Kind.« Er küsste Latona zum Abschied auf beide Wangen. Das Mädchen sah zu ihm hoch und versuchte, weder Erleichterung noch freudige Erwartung zu zeigen. Es fiel ihr schwer, weiterhin ruhig mit ihrem Stickrahmen dazusitzen, bis der Onkel das Haus verlassen hatte. Dann aber warf sie die Handarbeit auf den Tisch, sprang auf und riss den Deckel ihrer Kleidertruhe auf. Was sollte sie anziehen? - Als ob das eine Rolle spielte. Sie wollte ja nur die Maske abholen. Und sie würde ihr Versprechen einlösen müssen und dem fremden Londoner Jungen einen Kuss geben. Ihr Magen vollführte seltsame Sprünge.
    Ein Kuss! Na und? Was war schon ein Kuss. Doch so leicht ließen sich weder ihre weichen Knie noch ihr schlingernder Leib überlisten.
    Latona zog sich dreimal um, ehe sie in einem schlichten gelben, jedoch noch recht neuen Kleid und einem für die Nacht zu leichten Sommercape das Haus verließ. Es fiel ihr schwer, nicht zu rennen. Vermutlich war er gar nicht da. Warum sollte er jede Nacht auf dem Ruinenfeld auf sie warten? Außerdem war es noch zu früh. Er hatte gesagt, zur gleichen Zeit. Latona überquerte die Piazza Venezia und strebte auf die Reste der römischen Ruinen zu. Je näher sie dem Steinblock kam, auf dem sie mit ihm gesessen hatte, desto heftiger schlug ihr Herz. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Doch wie Angst fühlte es sich nicht an.
    »Sollte es aber«, sagte sie leise vor sich hin. »Es ist mitten in der  Nacht und du kennst ihn doch gar nicht. Und hier ist weit und breit kein Mensch zu sehen!«
    »Das halte ich für einen Vorteil«, antwortete seine Stimme.
    Latonas Herz machte einen Satz und ging nun zu unregelmäßigem Flattern über. Malcolm kam auf sie zugeschritten, doch kein Rascheln oder Knirschen war zu hören. Er setzte sich wieder auf den Marmorblock und winkte Latona näher. Selbst wenn es nicht ihre Entscheidung gewesen wäre, sie hätte gar nicht anders gekonnt, als seiner Aufforderung nachzukommen. Zaghaft ließ sie sich auf der Kante nieder. Obwohl das Blau seiner Augen sie

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