Nosferas
jede Nacht verfolgt hatte, schaute sie nun wie gebannt auf ihre Hände hinab.
»Hast du mir die Maske mitgebracht?«
»Aber ja. So hatten wir es besprochen.« Seine Stimme klang sanft.
»Dann gib sie mir bitte.« Sie sah ihn noch immer nicht an.
»Jetzt gleich? Hast du es so eilig? Wollen wir nicht noch ein wenig plaudern?«
»Worüber willst du reden?« Zaghaft ließ sie ihren Blick an seinen so britischen Kleidern hinaufwandern, bis die blauen Augen sie wieder gefangen nahmen.
»Vielleicht ein wenig mehr über deinen gefährlichen Auftrag als Vampirjägerin?«
Sie hob verlegen die Schultern. »Ach nein, das ist alles streng geheim.«
Malcolms Mundwinkel zuckten ein wenig, doch seine Stimme veränderte sich nicht. »Das verstehe ich, dennoch bin ich schrecklich neugierig. Vampire sind aufregend!«
Latona nickte. »Ja, aufregend schon. Ich habe viel über sie nachgedacht. Sie sind böse Wesen, die Gott auf dieser Erde nicht vorgesehen hat, und doch tun sie mir manches Mal fast - leid.« Sie stieß ein unsicheres Lachen aus. Malcolms Augenbrauen wanderten vor Erstaunen ein Stück höher.
»Das wundert dich, nicht wahr? Aber sie können so menschlich wirken, als hätten sie Gefühle wie wir. Ängste und Sehnsüchte. Und dann dieser Blick, wenn es zu Ende geht.« Sie starrte wieder auf ihre Hände.
Malcolm räusperte sich. »Wie viele hast du denn schon gesehen und bei ihrer, ähm - Vernichtung mitgeholfen?«
»Nicht so sehr viele. Der Oheim nimmt mich nicht immer mit, doch sprechen wir von etwas anderem. Willst du mir nicht die Maske geben?«
Malcolm zog sie aus der Tasche und hielt sie ihr hin. Hastig griff Latona danach und ließ sie unter ihrem Cape verschwinden. Das Mädchen erhob sich. »Danke, du weißt nicht, wie wichtig es für mich und für den Onkel ist, sie wiederzuhaben.«
Er fragte nicht weiter danach. Stattdessen stand er ebenfalls auf und kam zu dem Punkt, den sie zitternd erwartet und vor dem sie sich gefürchtet hatte. »Und mein Kuss?«
»Ich stehe zu meinen Versprechen«, sagte Latona würdevoll und hob das Gesicht ein wenig. Ihr Körper jedoch versteifte sich, als er die Arme um sie legte. Sein Atem war kühl und roch süßlich, nach irgendetwas, was ihr nicht einfallen wollte. Dann spürte sie seine Lippen. Wie kalt sie waren. Sie verharrten einen Augenblick regungslos. Das war es. Sie hatte ihr Versprechen eingelöst und würde nun gehen. Doch sie konnte sich nicht rühren, dabei hielten seine Arme sie gar nicht so fest. Seine Lippen öffneten sich leicht und begannen, sich sacht zu bewegen. Etwas Hartes, Spitzes drückte gegen ihre Unterlippe.
Latona dachte nicht mehr ans Heimgehen. Sie konnte gar nicht mehr denken. Ihr Körper und ihr Geist waren ihrer Kontrolle entglitten. Dabei war es nur ein Kuss! Und es war nicht ihr erster. Einmal hatte ein Junge ihr gegen ihren Willen einen Kuss aufgezwungen, doch zweimal hatte sie es durchaus gewollt und provoziert. Es war aufregend gewesen und prickelnd wie der erste verbotene Schluck Champagner, doch das hier war etwas ganz anderes. Das raubte ihr den Verstand! Latona sah ihm in die Augen und erschrak, es waren die eines Raubtiers. Er ließ von ihr ab, trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme auf dem Rücken.
»Ich danke dir«, sagte er schmeichelnd, und auch sein Blick war wieder sanft. Das trübe Nachtlicht musste sie genarrt haben.
»Ich danke dir«, gab sie zurück. Ohne dass sie es wollte, hoben sich ihre Hände an seine Wangen. Sie wollte ihn an sich ziehen und dieses unglaubliche Gefühl noch einmal erleben. »Malcolm«, hauchte sie mit belegter Stimme.
Da trat der Mond vollständig hinter den Wolken hervor und warf ihren Schatten über den weißen Marmor. Ihren Schatten allein. Latonas Hand verharrte reglos an seiner kalten Wange, während ihr Geist zu begreifen begann. Ein Schatten. Der eines Mädchens. Das war nicht möglich! Ihr Blick huschte über sein weißes, reines Gesicht und suchte nach einer anderen Erklärung, bis sie die beiden Spitzen bemerkte, die zwischen seinen Lippen hervorlugten.
»Du bist ein Vampir?«, presste sie hervor.
»Ich habe nie das Gegenteil behauptet«, sagte er fast heiter.
»Ein Vampir!« Nun war es helle Panik. Plötzlich konnte sie sich wieder bewegen. Die ersten Schritte wich sie zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen, doch er folgte ihr nicht. Dann drehte sich Latona um und rannte, wie sie noch niemals in ihrem Leben gerannt war.
Auf seinem Rückweg hatte Malcolm
Weitere Kostenlose Bücher