Nosferatu 2055
dreimal gefragt, ob wir ihren Namen hätten. Ein Nein hat ihr nicht gereicht«, sagte Serrin. »Die Frau hat auf keinen Fall gelogen.«
»Das würde ich auch sagen«, fügte der Troll hinzu.
Michael sah sie an und zuckte die Achseln.
»Also, sie hat uns den Namen genannt. Du hast ihn bestätigt. Das klingt so, als hätte sie ihre Hausaufgaben ordentlich gemacht«, sagte Serrin.
»Und wir wissen genau, wo sich dieser Luther aufhält?«
»Er besitzt ein Kloster in Schwandorf. Das ist nicht weit von Regensburg.«
»Dann haben wir unseren Mann. Oder vielmehr unseren Nosferatu. Jetzt müssen wir analysieren, was wir zu wissen glauben.« Michael holte tief Luft, glättete ein Blatt jungfräulich weißen Papiers und griff nach einem Stift. »Laßt uns alles Schritt für Schritt durchgehen.«
Sie grübelten noch einmal über alles, was geschehen war, über alle Teile des Puzzles, die sie zusammengetragen hatten. Es ging weitaus schneller, als Michael erwartet hatte. Sorgen machte ihm nur, was sie mit diesem Wissen anfangen würden. Ganz besonders eine Möglichkeit jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
»Wenn das derselbe Kerl ist...«, sann Michael.
»Was meinst du damit?« fragte Tom.
»Ich meine, was ist, wenn es die ganze Zeit über nur einen Luther gegeben hat? Nach allem, was wir haben, sieht es so aus, als sei unser heutiger Luther kaum je gesehen worden - Privatlehrer und so weiter. Das klingt ganz so, als könnte es derselbe sein.«
»Wenn er ein Nosferatu ist, warum nicht?« warf Serrin ein.
»Nun ja, wenn er wirklich ein Elf ist, muß das bedeuten, daß er als solcher geboren wurde. Und zwar gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts oder noch früher in der Slowakei. Es ist möglich, nehme ich an. Wir wissen von den Spikebabys, aber das Mana müßte bei einer derartig frühen Geburt ein unglaublich hohes Niveau erreicht haben. Es wird kein Spaziergang, wenn sein magisches Talent diese Tatsache widerspiegelt.«
Sie schwiegen eine Weile.
Es war Michael, der das Schweigen brach. »Also, was genau hat Magellan über Luthers kleine Überraschung erzählt?« fragte er Serrin.
»Ich kann mich nicht mehr an die genauen Worte erinnern. Irgend etwas darüber, daß es in den Genen sei. Eine dauerhafte Veränderung.«
»Also keine Drogen«, sagte Michael. »Eine genetische Veränderung. Aber wie will er das machen? Er kann nicht herumlaufen und die DNS jedes Menschen einzeln verändern.«
»Es muß irgendeinen Vektor geben«, schlug Serrin vor.
Michael wurde weiß. Er war kein Fachmann für Molekularbiologie, hatte Geraint jedoch an der Universität bei dessen Arbeiten auf diesem Gebiet geholfen. Davon war genug hängengeblieben, um sich mit dem Vokabular dieser Disziplin einigermaßen auszukennen.
»Ein Virus. Ein Retrovirus«, keuchte er. »Verändert die DNS. Er muß eine metatypische Fixierung eingebaut haben, so daß nur bestimmte Metatypen betroffen sind.«
Hinter ihm summte der Drucker, aber er machte sich kaum die Mühe hinzusehen. In seine Überlegungen vertieft, nahm er das Blatt, um seinen Händen eine Beschäftigung zu geben. Seine Augen weiteten sich, als er es überflog.
»Tracey war ziemlich aktiv. Ich hätte sie früher überprüfen sollen. Drei weitere Entführungen von Magiern sind gemeldet worden, während wir in der Weltgeschichte herumgereist sind. Eine in Beijing, vermutlich ein Bandenkrieg. Eine in Atlanta, mutmaßliche Konzernverwicklung. Eine in Regensburg, Motiv unbekannt. Gestern. Schau, schau.«
»Ich würde sagen, es gibt jetzt absolut keinen Zweifel mehr«, murmelte Serrin.
»Dieser Luther wird immer hungriger. Aber das paßt nicht in das Nosferatu-Schema«, sagte Michael, nachdem er Serrins hingekritzelte Notizen über Untote gelesen hatte. »Sie essen nur selten. Die letzten sechs Entführungen, die auf sein Konto zu gehen scheinen, haben in einem Zeitraum von nur sieben Wochen stattgefunden. Warum rufst du Julia nicht an und bittest sie, sich noch einmal mit ihrer Freundin zu unterhalten und herauszufinden, was das bedeuten könnte?«
Serrin kam nach wenigen Minuten mit einer Antwort zurück. »Sie sagt, sie sei nicht hundertprozentig sicher, aber das würde nur geschehen, wenn der Nosferatu einen Haufen Energie speichert oder benutzt. Es würde zu Luther passen, daß er um seiner Forschungen willen nächtelang durcharbeitet, wenn er wirklich darin aufgeht. Ach, und sie hat noch gesagt, ich soll nicht mehr anrufen. Sie meldet sich einstweilen nicht mehr.« Da
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