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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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verschwinden und unterzutauchen, bis Gras über die Geschichte gewachsen war. Er wünschte nur, er hätte seine falsche Identität mitgebracht, so daß er auf seinen richtigen Namen ein Flugticket für Kapstadt hätte reservieren lassen können, während er in Wirklichkeit unter falschem Namen nach Deutschland geflogen wäre.
    »Frankfurt, würde ich sagen.« Von dort aus war es ein Katzensprung nach Heathrow und zu einigen seiner britischen Freunde. Die Aussicht darauf war mit Sicherheit einladender als die auf eine Stippvisite in der azanischen Stadt. »Können Sie dafür sorgen, daß ich es noch schaffe?« flehte er.
    »Wenn Sie rennen, was das Zeug hält, könnten Sie es gerade noch schaffen. Gerade war der letzte Aufruf. Flugsteig siebzehn.«
    »Wenn ich muß, kann ich rennen, was das Zeug hält, das können Sie mir glauben.«
    Er warf ihr den Kredstab zu, den er von der Stadtverwaltung bekommen hatte, und wuchtete seinen Koffer auf das Gepäckband. Dann rannte er zum angegebenen Flugsteig. Auf halbem Weg dorthin stolperte er fast über einen leichten Aktenkoffer aus Metall, der umfiel und ein Stück weit davonflog. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Besitzer des Koffers, einen starrgesichtigen Mann mit kurzen Haaren, die so grau wie seine eigenen waren, und einer dreieckigen Narbe auf der linken Seite seines Kinns. Er trug eine Sonnenbrille, hinter der sich Cyberaugen verbargen. Serrin murmelte eine Entschuldigung und irgend etwas in der Art, daß er schrecklich in Eile sei, überließ es jedoch dem Besitzer, den Aktenkoffer wiederzuholen, da er seinen Spurt zum Flugsteig fortsetzte. Der Elf konnte nicht wissen, daß die Cyberaugen des Mannes mit einer hochmodernen Cyberoptik-Kamera bestückt waren, die bereits dreißig Aufnahmen von ihm gemacht hatte, während er den Flugsteig erreichte und seinen Ausweis zückte.
    Serrin erreichte gerade noch den letzten Zubringer- Bus. Auf dem Weg zur Maschine betrachtete er die graue und scheinbar weit entfernte Skyline New Yorks. Der bevorstehende Regen versprach die höllische Hitze zumindest für so lange abzukühlen, daß die Bewohner der Stadt schlafen konnten. Er betrat das Flugzeug, fand seinen Platz, ließ sich in das weiche Polster sinken und schlug die Illustrierte so vorsichtig und widerstrebend auf, als handele es sich um übelste Pornografie.
    Seine Julia mit den dunklen Augen und dem reizenden Lächeln hatte so ungefähr alles verwertet, was er je zu ihr gesagt hatte, und sie hatte auch ihre Hausaufgaben gemacht. Kein Wunder, daß sie sich am Ende unbehaglich gefühlt hatte. Die Schnüffler hatten praktisch alles ausgegraben: seine ermordeten Eltern, sein bei seiner Arbeit für Renraku zerschmettertes Bein, den Atlantis-Schwindel, sogar die Geschichte, wie er und Geraint und Francesca letztes Jahr in London zur Aufklärung der gräßlichen Mordserie beigetragen hatten. Alles war lückenlos recherchiert, und die persönlichen Informationen würden ihr einen fetten Bonus eingebracht haben. Kein Wunder, daß ihn in diesem Restaurant alle angestarrt hatten. Die Medien hatten eingehend über das gescheiterte Attentat auf Bürgermeister Small berichtet, aber Serrin hatte nicht viel Trideo gesehen und daher keine Ahnung, was mittlerweile sonst noch über ihn verbreitet worden war. Auf keinen Fall dieser intime Privatkram. Vielleicht sollte er den Redakteuren dieses Schmierblattes dafür dankbar sein, daß sie ihre hungrigen Leser bis zur nächsten Drei-Tage-Sensation mit interessantem Stoff versorgten. Wer konnte schon wissen, was sie anstellten, wenn sie zu lange hungern mußten?
    Er las weiter und war dankbar dafür, daß sie auf die Enthüllung irgendwelcher Schlafzimmergeheimnisse verzichtet hatte... dann, ach, Drek! Zu früh gefreut. Er hatte nur nicht weit genug gelesen. Serrin spürte eine verzweifelte, jämmerliche Traurigkeit in sich aufsteigen, nicht weil der Artikel grausam und brutal, ein achtlos zusammengestückeltes Machwerk voller Lügen war - das war er nämlich nicht. Vielleicht hätte er ein wenig Trost darin gefunden, hätte er sie als verlogenes Miststück verfluchen können. Doch selbst das blieb ihm versagt.
    In seiner Ohnmacht wollte Serrin das Magazin in Millionen kleine Fetzen zerreißen und sie aus dem Fenster des Flugzeugs werfen. Statt dessen stopfte er es sich grob in seine Jackentasche und lehnte sich dann ermattet zurück, um wenigstens zu versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.

3

    Die Maschine landete um zehn Uhr morgens Ortszeit

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