Nosferatu 2055
ich mir noch keine Sorgen zu machen.«
»Warum das?« Serrin hatte langsam das Gefühl, daß sein Lebenszweck darin bestand, immer noch mehr Fragen zu formulieren.
»Weil ich dann wahrscheinlich auf dem absteigenden Ast und nicht mehr so wertvoll bin wie jetzt«, sagte der Mann gelassen. »Dann werde ich mich wohl auf irgendeinen gräßlichen Landsitz in Schottland zurückziehen, Koniferen züchten, jemanden namens Morag heiraten und zwei Komma sieben schrecklich überintelligente Kinder in die Welt setzen. Möglicherweise.« Er lehnte sich zurück und rieb sich mit dem Zeigerfinger über die Lippen, was sein sardonisches Lächeln ein wenig verbarg.
»Aber das ist jetzt unwichtig. Lassen Sie uns zu den Dingen zurückkehren, die tatsächlich anliegen. Wir wissen - so sicher, wie das unter diesen Umständen möglich ist daß Sie jemand entführen will. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß es dabei um ein Lösegeld geht, richtig?«
»Ich habe nicht viel Geld. Ich habe auch keine Verwandten mit Geld«, erwiderte der Magier.
»Also gibt es einen anderen Grund. Wenn wir diese Botschaft ernst nehmen wollen, dann trifft dieser Grund auch noch auf andere Personen zu. Die Botschaft bezieht sich auf ›andere in der gleichen Situation‹ Die Frage muß also lauten: Was meint Ihr geheimnisvoller Informant damit? Ich wäre geneigt, von Ihrem offensichtlichsten Merkmal auszugehen: von der Tatsache, daß Sie ein Magier sind. Natürlich könnte es sich auch darauf beziehen, daß Sie ein Elf sind, aber rein statistisch gibt es wesentlich mehr Elfen als Magier. Wir werden diese Möglichkeit aber im Hinterkopf behalten. Andererseits könnte es auch beides zusammen sein: die Tatsache daß Sie ein elfischer Magier sind. Was das Feld extrem einengen würde. Also werde ich damit beginnen, nach Fällen zu suchen, in denen Elfenmagier entführt wurden, sagen wir mal im Zeitraum des letzten Jahres. Von da aus arbeite ich mich dann weiter nach hinten, wenn ich zu wenige positive Fälle entdecke.«
»Das muß doch eine Ewigkeit dauern«, warf Serrin ein.
»Oh, gewiß, Stunden«, erwiderte Michael ziemlich ernsthaft. »Ich muß dafür zurück nach Manhattan. Ich habe eine Fernbedienung dabei und kann ein paar Smartframes auf das offensichtliche Zeug ansetzen, aber für alles andere brauche ich meine Fairlights. Sie werden gewiß verstehen, daß ich sie nicht mit mir herumschleppe.«
»Fairlights?« Der Plural verblüffte Serrin doch ziemlich. Jeder Decker, den er kannte, hätte seine eigene Mutter für nur eines dieser leistungsfähigsten Cyberdecks auf dem Markt getötet. Auch nur davon zu träumen, mehr als eines davon zu besitzen, lag irgendwo zwischen Halluzination und krimineller Selbstüberschätzung.
»Nicht die gewöhnlichen Modelle«, erwiderte Michael leichthin. »Ich habe ein Jahr damit verbracht, sie zu frisieren. Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er verschwand im Badezimmer der Suite.
»Er ist zu clever«, brummte der Troll, als sich die Tür hinter dem Engländer geschlossen hatte.
»Ich brauche diese Cleverness«, sagte Serrin abwehrend, wobei ihm der Gedanke kam, daß sich der Troll dem Rennwagentempo von Michaels Gedankengängen vermutlich nicht gewachsen fühlte. Wiederum spürte Tom, was der Elf empfand.
»Ich meine damit, daß er nicht viel Herz hat«, sagte der Troll gelassen. »Ich weiß nicht, ob ich ihm trauen würde. Es ist alles nur ein Spiel für ihn.«
»Tom, wenn er herausfindet, wer hinter mir her ist, kümmert es mich wenig, wie er das anstellt«, erwiderte Serrin trocken. Der Troll zuckte die Achseln und hob seine Kaffeetasse aus Porzellan auf, wobei er eine abfällige Grimasse angesichts ihrer lächerlichen Größe schnitt. Sehr vorsichtig goß er je eine Tasse für Serrin und Michael ein. Dann öffnete er den Deckel der silbernen Kaffeekanne, goß Milch hinein und hob sie an die Lippen.
»Kommst du mit mir, Tom?« fragte Serrin noch einmal. »Wahrscheinlich muß ich mit ihm nach New York, aber ich bin immer noch ziemlich fertig und verängstigt. Es ist nicht so, daß ich ihm mißtraue, aber ich habe ihn gerade erst kennengelernt. Dich kenne ich. Bitte.«
Der Troll trank die Kanne leer und leckte sich die Lippen. »Was zahlst du?«
»Dreihundert Nuyen pro Tag. Wenn wir tatsächlich in Gefahr geraten, können wir den Preis neu aushandeln.«
»Es ist nicht für mich«, fügte der Troll hinzu. »Es fließt alles nach Redmond zurück.«
»Ich weiß. Danke.«
Es war keine Zeit, mehr zu
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