Nosferatu 2055
sagen, bevor Michael wieder auftauchte, der sich emsig die frisch gewaschenen Hände rieb.
»Es gibt da ein Problem, was meine Rückkehr nach New York betrifft«, sagte Serrin zu ihm. »Ich meine, ich würde ja gerne, aber...«
»Auf jeden Fall«, unterbrach ihn Michael. »Ich brauche Sie dort, damit Sie Fragen beantworten können, wenn die Daten hereinströmen. Sie machen sich Sorgen, daß man Sie wiedererkennt, richtig?«
»Vielleicht ist es gar kein Problem. Ich hoffe, daß ich nicht mehr in den Nachrichten bin«, sagte der Elf.
»Sind Sie nicht. Aber bei all dem Zeug in Newsweek, müssen Sie auch an die anderen Optionen denken! Bücher! Trideo! SimSinn - oder nein, das nicht, würde ich sagen. Aber wir dürfen das Interesse der New Yorker Medien nicht unterschätzen, auch den letzten Dollar aus etwas herauszuquetschen, bevor sie sich auf etwas anderes stürzen. Irgendein kleiner Schlaukopf könnte Sie immer noch als lohnenswertes Ziel für eine eingehende Belästigung betrachten, aber ich habe eine Idee.« Er winkte, und Serrin folgte ihm ein wenig verunsichert. Michael öffnete die Türen eines absurd großen Kleiderschranks.
»Ich habe nur schnell etwas in einen Koffer geworfen«, sagte Michael entschuldigend. Als er auf die Reihe der Anzüge und Hemden starrte, dachte Serrin, daß das völlig übertrieben war, wenn Michael gedacht hatte, daß er nur einen einzigen Tag lang von zu Hause weg sein würde. Diese Kollektion sah eher wie die Reisegarderobe irgendeines hirnamputierten SimSinn-Stars aus.
»Ich weiß«, sagte der Engländer grinsend. »Das ist mein einziges Laster. Schnelle Autos bedeuten mir nichts, ich foltere mein Hirn nicht mit Chips, Schnaps und Drogen, und da ihr Amerikaner glaubt, Engländer wüßten nicht, wie man sich richtig amüsiert, gebe ich mich auch nicht mit Frauen ab. Ist besser für das Image, alter Junge. Also, ich muß schon sagen, ich glaube, Sie würden echt schick in diesem Tweed aussehen. Sie haben meine Größe und sind sogar noch schlanker. Und der Filzhut wäre eine nette exzentrische Note. Ob wohl die Jagdmütze sicherer wäre. Damit würde Sie kein Mensch wiedererkennen!«
Ein tiefes grollendes Kichern kam von der mächtigen Gestalt, die hinter ihnen in der Tür stand. Als Serrin unsicher eine Hand auf das Revers der Tweedjacke legte, bog sich Tom fast vor Gelächter.
Kristen wurde um zehn geweckt. Donnernde Schläge an die Tür erinnerten sie daran, daß sie fünfzehn Rand für eine weitere Nacht bezahlen mußte, wenn sie sich nicht binnen fünf Minuten aus dem Apartment trollte. Zu ihrer Bestürzung wurde ihr klar, daß ihr nicht einmal die Zeit für eine Wäsche blieb, bevor man sie an die Luft setzte. Sie zog ihre verschwitzte Kleidung an und zischte dem Ork eine unfreundliche Bemerkung zu, als sie die Tür öffnete. Er hob den Arm, als wolle er sie schlagen, doch sie tauchte darunter hinweg und flitzte auf die Straße.
Als sie unterwegs war, fiel ihr als erstes der kleine Computer, oder was es war, ein. Sie hoffte, daß sie ihn beim Herumspielen nicht völlig ruiniert hatte, aber jetzt konnte sie nur noch versuchen, ihn zu Manoj zu bringen. Sie bückte sich, um sich am Knöchel zu kratzen, der von Flöhen, Wanzen oder was auch immer zerstochen und zerbissen war, und gähnte ausgiebig im vormittäglichen Sonnenschein. Sie brauchte Kaf, und dies war ein günstiger Zeitpunkt, welchen von Manoj zu schnorren. Er würde noch nicht beschäftigt sein.
Als sie schließlich das Labyrinth von Longmarket erreichte, wimmelte es auf den Straßen von Touristen. Auf dem Weg hierher hatte sie gründlich über die Geschehnisse der vergangenen Nacht nachgedacht. Auf alle Fälle gab es eine Menge Vielleichts. Vielleicht hatte sie einen Fingerabdruck auf der Brieftasche hinterlassen, bevor sie sie weggeworfen hatte. Vielleicht suchte die Polizei wegen des Mordes schon nach ihr. Ihre Fingerabdrücke hatte die Polizei jedenfalls schon oft genug genommen. Seltsamerweise war es nicht die uniformierte Polizei, die ihr Sorgen bereitete. Es waren die zivilen Stinker, die sich unter die Passanten mischten, um Taschendiebe und Straßenräuber zu jagen. Den Kopf einziehend, so daß er nicht aus der Menge herausragte, schlenderte sie durch die abfallübersäte Gasse zur Hintertür von Manojs Laden. Sie klopfte einmal, dann drückte sie die Klinke und steckte den Kopf durch die Tür.
Die übliche Geruchsmischung kam ihr entgegen: Schweiß, Räucherwerk, die Rückstände des Lampenöls,
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