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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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Schätzchen?«
    Kristen wollte sich durchbluffen, aber sie versuchte einen Moment zu lange, unschuldig auszusehen. Sie hatte es vermasselt.
    »Hör mal, Manoj, ich hab das Ding nur vom Boden aufgehoben, klar? Es lag neben dem anderen Kerl. Dem, der umgelegt wurde. Drek, du müßtest mich besser kennen, als zu glauben, daß ich mich auf Mord und Entführung einlasse. Ich?«
    Er musterte sie argwöhnisch. »Wer weiß sonst noch davon?«
     
    »Niemand. Ich habe es sofort zu dir gebracht«, sagte sie kläglich.
    »Tja, ich werde es nicht kaufen. Du weißt, daß es nicht viel an gestohlener Ware gibt, die ich ablehne, aber wenn die Ware von einer Leiche stammt, kannst du sie vergessen.« Die letzte Schraube rammte er förmlich in das Gehäuse und schob dann den Kasten grob zu ihr zurück.
    Kristen war schon fast an der Tür, als sein Tonfall plötzlich weicher wurde.
    »Hör mal, wir können einander einen Gefallen tun. Ich brauche sowieso jemanden, der etwas für mich erledigt. Nimm den Bus nach Simon's Town und hol dort was für mich ab, ja?«
    Sie drehte sich um, betrachtete ihn lächelnd und mit hochgezogenen Brauen. In der Sache steckte Geld.
    »Bring das zu meinem Halbbruder John. Dem Weißen, du bist ihm schon begegnet«, sagte Manoj mit ein klein wenig Bitterkeit. Wie sie war er gemischtrassig, doch als halber Inder hatte er nicht mit ganz so vielen Problemen zu kämpfen wie sie als halbe Xhosa. Das reichte aber immer noch, um verbittert zu sein.
    »Hier ist die Adresse«, sagte er, indem er etwas auf das oberste Blatt eines Notizblocks kritzelte. »Ach, Drek, du kannst ja nicht lesen. Paß auf, nimm dir ein Taxi an der Bushaltestelle und zeig dem Fahrer die Adresse, verstanden? Nein, warte, ich sage sie dir vor, und du merkst sie dir, ja?«
    »Klar, kein Problem«, sagte sie strahlend. Als Analphabetin kannte sie sich mit dieser Verfahrensweise aus.
    »Er kauft dir das vielleicht für den Schrottwert ab. Die Teile könnten noch was wert sein, keine Ahnung. Jedenfalls wird er dir etwas geben, das du hierherbringst, verstanden? Fünfzig Rand für dich, wenn du zurückkommst. Falls du nicht zurückkommst, Mädchen, landest du im Hafen - nachdem ich mit dir fertig bin. Begriffen?«
     
    Wahrscheinlich Drogen, dachte sie. Es war nicht viel Geld für das Risiko, fünf Jahre ins Unterhaus zu wandern. Die Stadt hatte das alte Unterhaus vor zwanzig Jahren zu einem Gefängnis umgebaut, aber diese Ironie trug nicht dazu bei, die Vorstellung, dort ein paar Jahre zu verbringen, angenehmer zu machen.
    Als er ihr die Adresse ein paarmal vorgelesen und sie bewiesen hatte, daß sie sie perfekt nachplappern konnte, sann Manoj noch einen Augenblick über den Ausdruck nach.
    »Ziemlich merkwürdige Namensliste hier. Irgendein hohes Tier aus Wien, jemand aus London und irgendein Irrer mit elfischem Namen aus Seattle. Ziemlich international. Hm.« Er wollte das Stück Papier gerade zusammenknüllen, als Kristen ihn spontan zurückhielt. Es war unmöglich, keine Frage, aber sie mußte es wissen.
    »Der Elf. Wie heißt er?«
    »Serrin Shamandar. Was interessiert dich das?«
    Kristen fühlte sich, als sei sie von einem Rammbock getroffen worden.
    »Nur so«, gelang es ihr zu lügen, während sie das Blatt Papier nahm. »Ich bringe das zu deinem Bruder. Bis zum Abend bin ich wieder da.«
    »Das will ich auch hoffen - für dich«, knurrte er.

8
     
    Als sie am nächsten Morgen zur Frühstückszeit mit rotgeränderten Augen eintrudelten, waren Serrin und Tom verblüfft über Michaels Wohnung in Soho im fünfzehnten Stock eines Wohnhauses. Der Engländer sah so geschniegelt aus wie eh und je und schien durch den Schlafmangel nicht beeinträchtigt zu sein. Serrin kam sich in seinen lächerlichen Klamotten wie eine Schaufensterpuppe vor, aber Tom versicherte ihm, er sehe echt schick aus. Serrin hatte sich nicht schnell genug umgedreht, um das Lächeln mitzubekommen, da er Tom nie ein Talent zum Sarkasmus zugetraut hatte.
    Michaels Wohnung hatte sechs Zimmer und nahm das halbe Dachgeschoß des Hauses ein. Zwei dieser Zimmer waren ausschließlich mit Cyberdecks und der dazugehörigen Tech vollgestopft, Geräte, die auseinandergenommen, umgebaut und wieder zusammengesetzt worden waren, bis sie aussahen, als stammten sie von einem anderen Planeten.
    »Es sieht ein bißchen nach Heath Robinson aus, aber sie funktionieren«, sagte der Engländer, als er eintrat und das Licht einschaltete. Serrin fiel auf, daß es keine Fenster gab, jedenfalls

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