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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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das, was von der Seele noch übrig ist, dort für immer und ewig brennen wird.«
    In diesem Augenblick spürte Serrin, daß Tom ein Schamane war, daß er zumindest einiges von der Macht besaß. Sie war da, in seinem Gesichtsausdruck, in der untrüglichen Aura, die ihn umgab. Der Troll hatte sich in der Tat verändert.
    »Und da tauchte Bär auf. Zwischen mir und der Hölle. Nahm mich in die Arme, bevor ich starb. Wie ich schon sagte, ich weiß echt nicht, wie ich darüber reden soll. Ich schnappe hier und da schicke Wörter von gescheiten Leuten auf, aber ich kann sie nicht so aneinanderreihen, daß sie der Sache irgendwie gerecht werden.
    Ich will versuchen, es so auszudrücken, daß du es nachempfinden kannst«, fuhr der Troll zögernd fort. »In gewisser Weise müßte es einen Sinn für dich ergeben. Stell dir vor, daß du in etwas Großes und Warmes, etwas Schlichtes und Freundliches gehüllt wirst. Stell dir vor, dieses Etwas, tatsächlich eine Sie, sagt zu dir, du schleppst Kummer mit dir herum, weil deine Eltern aus heiterem Himmel in tausend Stücke gesprengt wurden, als du elf Jahre alt warst. Du mußtest sie im Leichenschauhaus identifizieren, weil das Gesetz vorschreibt, daß eine Identifikation wenn möglich von einem Blutsverwandten vorgenommen werden muß, und du warst der einzig greifbare. Und du hast jeden Tag Schmerzen, weil dein Bein verstümmelt wurde. Und du vergißt auch die Sache mit dem blinden Mädchen in Lafayette nicht, als du dorthin in der Hoffnung zurückkehrtest, es könnte wieder dein Zuhause werden, und auch das bereitet dir Kummer.«
     
    »Woher, zum Teufel, weißt du das alles?« sagte der Elf beinahe wütend. Er war sicher, daß er Tom weder die Geschichte mit seinen Eltern noch die über die einzige Liebe seines Erwachsenenlebens erzählt hatte.
    »Spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, daß du diesen Kummer im Augenblick empfindest, so daß du mich verstehen kannst. Also, diesen Kummer wirst du immer mit dir herumschleppen. Du hast gar keine andere Wahl. Aber stell dir vor, dieses Wesen sagt zu dir, du weißt, daß du diese Dinge nicht ändern kannst. Du könntest versuchen, sie zu vergessen, aber wenn du das tust, machst du dich damit auch ärmer. Und du belügst dich. Und es würde sowieso nicht klappen. Aber dann sagt sie zu dir - und du weißt es auch, weil es wie eine Flut auf dich einstürzt -, daß du nicht so arg zu leiden brauchst. Du weißt, du kannst dir etwas mehr Zutrauen, als du es tust. Und du brauchst dich auch nicht mehr so zu hassen.
    Aber es ist schauerlicher als alles, was du dir vorstellen kannst. Weil du dich ihr öffnen mußt, Chummer, und dann fällt jede kleine Lüge und jede Täuschung auf dich zurück, alles, was du jemals irgendwem angetan hast, weil du feige warst oder Angst hattest. In erster Linie diese Sachen, nicht die, wenn du wirklich jemanden vorsätzlich ausgenutzt hast, weil sich Bär damit nicht sehr oft abgibt. Jede Demütigung, die du erlitten hast, jedesmal, wenn du versucht hast, Liebe und Einfühlungsvermögen walten zu lassen und es verschwendet war, wie das so oft der Fall ist, und du mit nichts außer dir selbst dagestanden hast und es den Anschein hatte, als sei wieder ein Stück von dir abgerissen worden und für immer verloren. Du fällst auf einem Ozean von Kummer und Leid in Bärs Arme, Serrin. Es ist zuviel, um damit fertig zu werden, das kann ich dir sagen.
    Dann hält sie dich fest, und das heilt dich, Bruder. Um das zu beschreiben, fehlen mir echt die Worte.«
    Die riesigen Hände des Trolls schlossen sich um diejenigen des Elfs. »Und ich glaube, du brauchst auch eine Dosis davon. Du würdest nicht so zittern, wenn es anders wäre. Aber ich bin kein Prediger und werde dich zu nichts drängen«, sagte Tom mit einem Anflug von Trauer in der Stimme.
    Serrin konnte nichts sagen. Er hatte genug damit zu tun, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Er war es nicht gewöhnt, daß alles so rasch an die Oberfläche und auf den Punkt gebracht wurde.
    Tom lehnte sich zurück und trank sein Glas leer. »Aber es ist nicht so, daß man sich in ein perfektes Exemplar von nichts verwandelt. Ich habe immer noch meine Illusionen. Neuerdings leiste ich 'ne Menge Arbeit für die Leute im Dschungel. Wie Anna damals. Also nehme ich an, daß ich immer noch 'n Haufen Drek im Schädel habe, Chummer. Die Sache ist die, wenn man nicht die ganze Zeit so verdammt hart mit sich selbst umspringt, ist es viel leichter, anderen etwas zu

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