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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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der schummerigen Bar mit den verbarrikadierten Fenstern, dem ramponierten Mobiliar und der düsteren Atmosphäre um. Die Decke mochte einmal weiß gewesen sein, aber der Rauch unzähliger Zigaretten hatte sie schon vor langer Zeit mit einer Bräune überzogen, die ansonsten nur ein Jahrtausend strahlenden Sonnenscheins hätte herbeiführen können - wenn das Sonnenlicht je einen Weg in die Bar gefunden hätte. Trotzdem war das Crusher als Treffpunkt für Orks und Trolle so beliebt, daß es hin und wieder Zielscheibe für die Wichser vom Humanis- Policlub war, wenngleich der letzte Sprengstoffanschlag des Anti-Metamenschen-Vereins mittlerweile bereits ein halbes Jahr zurücklag. Tom wußte von jedem Anschlag, weil er hinterher immer zu Hilfe gerufen wurde. Ein Bär-Schamane war oft das Beste, worauf Leute hoffen durften, die sich keine Krankenversicherung leisten konnten.
    Eine schwere Hand schlug ihm auf den Rücken, und als er sich umdrehte, sah er einen weiteren Ork, Denzer, der ihn anlächelte. Der Witz, der im Crusher die Runde machte, lief darauf hinaus, daß Denzer ein als Ork verkleideter Troll war, und er war fast groß genug, um den Witz wahr wirken zu lassen. Er strich sich das fettige schwarze Haar aus der Stirn, und Tom bedachte ihn mit einem freundlichen Begrüßungsknurren.
    »Willst du 'n Mineralwasser, Tom? Hey, der Bürgermeister rennt ja rum, als hätte er gerade die nächste Wahl gewonnen. Gute Arbeit, Chummer.«
    Der Troll lächelte wieder und genoß das gute Gefühl, das er wegen dieser Sache hatte. Wie elend und erbärmlich die Redmond Barrens auch sein mochten, sie waren sein Zuhause, und er tat, was er konnte, um die allgemeine Situation nach all den Jahren des Dahinsiechens zu verbessern.
    Er betrachtete noch einmal die von Sorgen und harter Arbeit gezeichneten Gesichter der Anwesenden. Vor sieben Jahren hätte er noch jeden hier für ein paar hundert Nuyen umgelegt. Jetzt liebte er, oder das, was noch von ihm übrig war, diese Leute. Von den Bewohnern des Plastikdschungels mit seinem vom Giftmüll verseuchten Boden bis zu den Straßenmärkten des sogenannten Schacherkellers. Und im Dschungel würde der Zuschuß, den seine Gruppe Redmonds Bürgermeister, Jeffrey Gasston, abgerungen hatte, für Tausende dieser Leute zu einer Verbesserung ihrer Lebensumstände führen.
    Dafür bin ich dir was schuldig, Chummer, sagte er im Geiste zu dem Gesicht auf der Titelseite des Magazins. Wie es dir wohl ergangen ist?
     
    Er hatte Heidelberg rein zufällig ausgewählt. Jetzt, nach zwei Tagen, war Serrin geneigt zu glauben, das es eine inspirierte Wahl gewesen war. Die Stadt war ruhig, sogar jetzt in der Touristensaison, und sah aus, als hätte sie sich im letzten Jahrhundert kaum verändert. Kleine weiße Boote trieben träge den Neckar flußabwärts, und die Leute kauften immer noch auf dem Straßenmarkt ein, wo er sich einen Neckarfrosch gekauft hatte, einen jener handgemachten Keramikfrösche, ein absonderliches, krötenähnliches Wesen mit einem fragenden Gesichtsausdruck. Der Markt - mit seinen Krügen voll hausgemachter Marmelade, Ständen mit gefiederten Hüten und Trinkkrügen aus Ton sowie Fisch, Obst und Schinken, bei dem es sich offenbar um eine hiesige Spezialität handelte - stammte ebenso aus dem neunzehnten Jahrhundert wie der Rest der Stadt.
    Auf seinem Weg die schmale Straße zur Burg hinauf blieb Serrin vor einer Konfiserie stehen und betrachtete gelangweilt die Schaufensterauslage. Ein paar kleine bunte Schachteln fielen ihm ins Auge, und er kaufte eine, nur um ein herzförmiges Schokoladengebäck im Innern vorzufinden. Ein kleiner Begleitzettel besagte, daß es sich um einen ›Studentenkuß‹ handelte, wie er von einem Studenten in alten Zeiten seiner potentiellen Liebsten geschickt worden war, deren Anstandsdame einen direkteren Ausdruck seiner Zuneigung verhindert hatte.
    Davon sind wir mittlerweile weit entfernt, dachte Serrin verbittert. Heutzutage bumst einem die Liebste drei Tage lang das Hirn aus dem Schädel und verkauft einen dann an die Schmierblätter. Er wandte sich nach links auf den Marktplatz und schlenderte dann zur Hauptstraße, wo er in einem der unzähligen Cafes einen Kaffee und frisch gepreßten Fruchtsaft bestellte.
    Vielleicht sollte ich die Universität besuchen, dachte er träge. Und wenigstens einen Teil der Arbeit über Techniken des Maskierens beenden, die ich eigentlich an der Columbia-Universität erledigen wollte. Ach, zum Teufel damit, ich habe erst

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