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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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akzeptieren würde. Als er sie ansah, fiel ihm auf, daß sie barfuß war und ihre rosafarbenen Fußsohlen im krassen Gegensatz zu dem Braun der Fußrücken standen. Es war eine widersinnige Wahrnehmung. Andererseits neigte Serrin immer dazu, Einzelheiten zu sehen, wenn er sich weigerte, das Gesamtbild zu erkennen.
    »Ich verstehe überhaupt nicht, was los ist«, sagte sie.
    Serrin zuckte die Achseln. »Ich wünschte, ich könnte von mir das Gegenteil behaupten. Ich versuche schon die ganze Zeit herauszufinden, wie mich eine mißlungene Entführung in weniger als einer Woche, um die halbe Welt geführt hat. Ich wollte nur ein paar ruhige Nachforschungen in einer Bibliothek anstellen - und jetzt das hier.«
    »Warum hast du mich mitgenommen? Wie könnte ich euch schon helfen? Ich hatte sowieso nicht damit gerechnet, dich je leibhaftig zu sehen. Warum hast du mich nicht einfach in Kapstadt zurückgelassen?«
     
    Die Direktheit der Fragen schmerzte. Der Elf war sich der Tatsache nur allzu bewußt, daß der Wert eines Lebens wie des ihren praktisch gleich Null war. Straßenkinder verschwanden jeden Tag in London, Kapstadt, Rio, Seattle, jeder Stadt, die einem einfiel. Niemand machte sich etwas daraus oder auch aus deren Schicksal. Die beste Überlebenschance bot oft die Mitgliedschaft in einer Gang, was jedoch üblicherweise mit dem Tod oder der Verstümmelung des betreffenden Kindes bei einer Messerstecherei oder Schießerei endete.
    »Es kam mir einfach nicht richtig vor«, sagte er lahm, wobei er es vorzog, nicht darüber nachzudenken, daß er selbst in jungen Jahren seine Eltern verloren hatte. Es ging nicht nur um die mit einem Abschied üblicherweise verbundene Enttäuschung. Da war noch mehr, aber er hatte sich noch nicht allzusehr in seine verwirrten und sehr starken Gefühle vertieft.
    »Warum hast du mich nicht gleich aufgefordert mitzukommen?« sagte Kristen, indem sie sich ein wenig auf dem Bett ausstreckte. Er verstand nicht, was sie meinte.
    »Du hast mich nicht angemacht«, sagte sie kühl.
    Der Elf zögerte. Er wußte, daß es alles ruinieren konnte, wenn er das Falsche sagte. Er beschloß, mit einer klaren Antwort zu warten, bis er einen besseren Eindruck davon hatte, was sie von ihm hören wollte.
    »Hätte ich dich denn anmachen sollen?« fragte er.
    »Alle anderen tun es. Du bist reich, du trägst schicke Klamotten, du wohnst in Hotels. Dein Gesicht war auf dem Titelblatt einer Illustrierten. Wenn Leute wie du in die Hafengegend kommen, gibt es dafür nur einen Grund. Normalerweise.«
    Er war nicht sicher, ob sich hinter diesen Fragen eine gewisse Feindseligkeit verbarg. Er fühlte sich sehr unbehaglich, da er sich bewußt war, daß er sich trotz seines größeren Alters und seiner größeren Welterfahrung plötzlich im Nachteil befand. Er versuchte etwas Zeit zu gewinnen, indem er sich eine Zigarette anzündete und tief inhalierte. Zu seiner Überraschung gelang ihm beim Ausatmen ein perfekter Rauchring. Er setzte sich neben sie.
    »Ich weiß nichts über alle anderen. Es ist nicht so, daß du nicht hübsch wärst. Es ist nur so, daß ich mir erst kürzlich die Finger verbrannt habe.« Und dann erzählte er ihr von Julia Richards. Er fühlte sich irgendwie erleichtert. Damit zog er den Kopf aus der Schlinge.
    »Aber es ist nicht nur das«, platzte es plötzlich aus ihm heraus. »Ich weiß es nicht, echt nicht. Ich habe das Gefühl, als würde ich dich schon lange kennen, was einfach verrückt ist. Und damit meine ich nicht, daß du mich an jemand anders erinnerst.« Ihm schoß durch den Kopf, daß das in gewisser Weise nicht ganz stimmte, aber er war zu verwirrt und unsicher, um ihr das zu sagen. »Ich mag dich, aber es ist nicht sexuell. Irgendwie. Ach, ihr Geister, ich weiß nicht.«
    Er gab es auf und saß mit auf den Knien gestützten Ellbogen da, die geballten Fäuste unter dem Kinn, und sah zu Boden. Dann lächelte er und drehte sich zu ihr um.
    »Aber du hast ganz reizende Füße«, lachte er in dem Versuch, die Spannung irgendwie abzubauen. Sie kicherte und ließ ihre Zehen mit dem Teppich spielen. Dann stand sie auf, stellte sich vor ihn und umklammerte seine Unterarme.
    »Laß uns tanzen gehen«, rief sie zu Serrins völliger Überraschung.
    »Was? Mitten am Nachmittag? Drek, ich kann überhaupt nicht tanzen. Ich habe ein zerschossenes Bein, Kristen.«
    Ihr Griff um seine Arme wurde fester. »Laß es uns einfach tun«, bettelte sie.
    »Ach, was soll's«, sagte er breit grinsend. »Laß uns

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