Nosferatu 2055
boshaften Grinsen, als er Serrin den Flaschenhals zeigte, aus dem eine dünne Rauchfahne entwich, während die ersten schaumigen Bläschen aus der Öffnung quollen und an der Flasche herabliefen. In der anderen Hand hielt er zwei Champagnergläser.
»Du verdammter Hurensohn«, knurrte Serrin. »Ich hätte einen Herzanfall bekommen können.«
Michael zögerte und bedachte den Elf mit einem langen, wissenden Blick, bevor Serrin schließlich, ein wenig errötend, die Gläser nahm und sich dabei vorbeugte, so daß Kristen seine Reaktion nicht sehen konnte. Der Engländer füllte die Gläser und wandte sich dann wieder ab, um sich seinem eigenen Glas zu widmen.
»Sind eigentlich alle Engländer champagnersüchtig?« fragte Serrin, der sich eine angemessene Rache auszudenken versuchte.
»Unbedingt, mein Lieber. Es ist eine der kleinen Ironien des Lebens, daß zwar, wie jeder anständige Engländer weiß, die Franzosen das heimtückischste und hinterhältigste Volk von Stromern der ganzen Weltgeschichte sind, wir jedoch dreimal soviel von ihrem Gebräu kaufen wie jede andere Nation. Mehr, als die Franzosen selbst heutzutage trinken, aber das liegt nur daran, daß sie zu faul und träge sind, um ihn sich leisten zu können«, erwiderte er fröhlich.
»Du bist ein Klon. Von Geraint«, stöhnte Serrin.
»Nicht ganz, mein Lieber. Nicht ganz. Ich habe nicht diese romantische keltische Ader. In Cambridge machte er sich an die Mädchen heran, und ich machte Computer. Aber genug davon. Lies die Touristenbroschüre. Sieh zu, daß du all diese giftigen Critter identifizieren kannst.«
Als das Flugzeug in den Landeanflug auf New Hlobane überging, befand sich Serrin in dem für ihn beim Fliegen üblichen Dämmerzustand, während Kristen sich beschwingt von dem Champagner, den sie noch nie zuvor getrunken hatte, an seine Schulter gelehnt hatte. Michael drehte sich zu ihnen um und stieß Tom an. Als Tom ihre friedlichen Gesichter sah, lächelte er. Michael sah nachdenklich aus, vielleicht sogar ein wenig traurig.
»Ich weiß nicht, wie das alles enden wird, Tom. Ich weiß nicht, was sie für Illusionen hat. Er kennt sich selbst nicht gut genug, um aus ihr schlau zu werden«, sagte er gereizt.
Der Troll sah ihn unsicher an. Er mochte diesen Mann eigentlich nicht, der so selbstsicher war, auf alles eine witzige Antwort wußte und anscheinend so völlig instinktlos war. Was Michael von Anfang an klar gewesen war.
»Nicht so voreilig, Tom. Nur weil ich mein Herz nicht auf der Zunge trage, heißt das noch lange nicht, daß ich keine Augen und Ohren im Kopf habe. Ich tue einfach nur das, worin ich gut bin, und das ist das hier«, sagte er, indem er sich mit einem Finger an die Schläfe tippte.
Das weckte ein unbehagliches Gefühl in Tom. Vielleicht gilt das auch für mich, dachte er, daß ich versuche auf irgendeinem Gebiet gut zu sein und jemanden nur deshalb nicht mag, weil er auf seinem Gebiet so viel besser ist als ich auf meinem. Und wenn das stimmt, bin ich kleinlich und armselig.
»Tut mir leid, Chummer. Ich brauche nur etwas Zeit, um mich an Leute zu gewöhnen, die anders sind als ich«, murmelte der Troll.
»Das ist mir auch aufgefallen. Aber manchmal wünschte ich, ich könnte ein paar von den Dingen, die du kannst«, sagte der Engländer.
Tom war perplex. »Du willst mich verarschen.«
»Nun, bei genauerem Hinsehen vielleicht doch nicht«, lachte Michael. Tom wurde klar, daß er auch niemals das würde tun wollen, womit dieser Mann seinen Lebensunterhalt verdiente, und stimmte in Michaels Lachen ein.
17
Es dauerte nicht lange, bis er im Bilde war. In Manhattan gab es eine Menge Privatdetektive, die nur allzu bereit waren, Nuyen dafür zu nehmen, Passagierlisten durchzugehen, Informationen, die in den Matrixsystemen der Fluggesellschaften ohnehin nur minimal geschützt waren. Magellan hatte vier Möglichkeiten für einen Elf, einen Mensch und einen Troll. Flüge nach Nagoya, Moskau, Kapstadt und Aztlan. Kapstadt drängte sich förmlich auf. Es überraschte ihn, daß sie nicht direkt nach New Hlobane geflogen waren, bis ihm wieder einfiel, daß der Mensch früher in Kapstadt gearbeitet hatte. Magellan folgerte, daß Sutherland Kapstadt als Zwischenaufenthalt gewählt haben mußte, vielleicht, um ein paar alte Freude zu besuchen, vielleicht auch, um ein paar zusätzliche Muskeln für die Weiterreise in die Zulu-Nation anzuwerben. Er schob die Verschlüsselungskarte in sein Telekom, rief Jenna an und sagte ihr,
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