Notaufnahme
Themen wie den Umgang mit Drogen, die Behandlung Drogenabhängiger oder Schusswaffengesetze auf die Tagesordnung zu setzen.«
Ich hatte den Eindruck, dass Lord Windlethorne innerlich zusammenzuckte, wenngleich er äußerlich gelassen schien, doch die anderen Teilnehmer griffen meine Kritik bereitwillig auf.
»Ich kann Ihnen nur versichern, dass Alex völlig Recht hat«, schaltete sich Creavey ein. »Auch wenn Sie sich jetzt noch der Illusion hingeben, diese Problematiken seien Lichtjahre von uns entfernt, so kommen sie doch schneller auf uns zu, als wir ahnen.«
Der britische Innenminister unternahm den Versuch, den Trend zur Gewalt herunterzuspielen – vielleicht erschien ihm dieses Thema in seiner abgeschlossenen, eleganten Welt, weitab von den Straßen der Großstädte, tatsächlich übertrieben. »Liebe Freunde, wir wollen dieses Bild doch nicht überzeichnen, oder?« Battaglia hatte mit seiner Einschätzung goldrichtig gelegen. »Natürlich gibt es eine Hand voll Hooligans und Zerstörungswütige …«
Auf diesen Moment hatte Chapman nur gewartet. Von Creavey wusste er, wie aktuell das Thema Schusswaffenbesitz in der britischen Öffentlichkeit gerade nach der beispiellosen Tragödie war, die sich in der Grundschule von Dunblane abgespielt hatte.
» Wollen Sie wissen, was Sie erwartet, wenn Sie nicht bald damit anfangen, sich über strengere Schusswaffengesetze und Drogenentzugsprogramme Gedanken zu machen? Wissen Sie eigentlich, was ich tagtäglich erlebe? John, hatten Sie es jemals mit einem ›Dis‹-Mord zu tun?«
Creavey runzelte die Stirn und strich nachdenklich über seinen Schnauzer. Keine Antwort. »Weiß einer von Ihnen überhaupt, wovon ich spreche? ›Dis‹ – das ist ein neues Motiv, weshalb man einen Menschen umbringt. ›Dis‹ steht für Disrespect – Ungehorsam. Letzte Woche wurde ich an einen Tatort gerufen. Der Mörder war fünfzehn Jahre alt, Heroindealer; seine Kundschaft: Kinder; der Umschlagsort: der Pausenhof. Die Drogen sind in Tütchen mit Snoopyaufdrucken verpackt. Und sein Opfer? Ein fünfjähriges Mädchen, das ihm gegenüber ungehorsam war. Der Junge hat den Kindern verboten, auf seinen Schatten zu treten, das Mädchen tat es trotzdem. Der Junge drehte sich um und jagte ihr eiskalt eine Kugel durch den Kopf, um den anderen zu zeigen, was mit ihnen passiert, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzen.«
In dem Raum herrschte betroffenes Schweigen.
»Vielleicht befanden sich in Ihrem Land früher die Waffen im Besitz der gehobenen Schichten, die am Wochenende auf Fasanen- und Wildschweinjagd gingen. Aber wenn Sie nicht aufpassen, werden Sie eines Tages mit unseren traurigen Rekorden gleichziehen.«
»Ich denke, wir haben uns nun eine Erholung verdient«, verkündete Lord Windlethorne und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist halb sieben; in einer Stunde wird in der Bibliothek ein Aperitif gereicht, und anschließend wartet das Dinner. Vielen Dank für Ihre Beiträge. Wir sehen uns später.«
Ich schob meinen Stuhl zurück und drehte mich zu Chapman um. »Wie nicht anders zu erwarten, haben wir ein bisschen Leben in die Bude gebracht.«
»Die Jungs in den Elfenbeintürmen haben ‘ne Dosis Realität dringend nötig gehabt. Lass uns hochgehen, ich möchte noch im Büro anrufen.«
An der Rezeption erkundigte ich mich nach Nachrichten für uns, dann gingen wir hoch in unsere Suite. Ich verschwand im Bad, um mich frischzumachen, während Mike in New York anrief. Durch das Rauschen des Wassers hindurch konnte ich die Unterhaltung nicht mitverfolgen, und als ich wieder herauskam, goss uns Mike bereits einen Drink ein.
Ich ließ mich auf einen der antiken Feauteuils fallen, streifte meine Schuhe ab und drückte auf der Suche nach dem Sender CNN die Tasten der Fernbedienung.
»Mach die Glotze ‘nen Moment aus.«
»Ich will nur schnell die Nachrichten-Headlines sehen.«
»Mach aus, ich muss dir was sagen.«
Ich schaltete den Fernseher aus und blickte Mike, der mir gegenüber auf dem Fußschemel saß, erwartungsvoll an.
»Es ist jetzt alles in Ordnung, Coop. Aber in der Nacht hat’s ein Problem gegeben.«
»Was für ein Problem?« Meine Gedanken rasten: ein neues Mordopfer, meine Eltern, von denen ich seit Tagen nichts mehr gehört hatte, einer meiner Freunde …
»Maureen.«
»Oh, mein Gott!« Entsetzt schlug ich die Hand vor den Mund. Nachdem ich sie am Vormittag nicht erreicht hatte, war ich davon ausgegangen, dass sie in Sicherheit sei – zu Hause bei Charles und
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