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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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ihr auf den Friedhof von Queens, wo Señor Salerios begraben lag, und vollführte dort einige Rituale. Da der Hexendoktor so gut wie blind war, erklärte sich Ciarita bereit, ihn danach nach Hause zu bringen. Nach ihrem vierten oder fünften Ausflug auf den Friedhof bat er sie in seine Wohnung, um dort ein zusätzliches Ritual durchzuführen.
    Ab Mitte Februar gingen sie nicht mehr auf den Friedhof, sondern direkt in seine Wohnung. Und auch das Ritual veränderte sich etwas. Angel verlangte von der vertrauensseligen Frau, dass sie sich splitternackt auszog und auf eine Decke mitten im Zimmer legte.
    »Kam Ihnen das denn nicht seltsam vor, Ciarita?«
    »Hab’ mir nichts dabei gedacht, Miss Alex. Der Alte ist doch so gut wie blind.«
    Während ich mich erinnerte, wie oft ich Polizisten und Kollegen gebeten hatte, Vergewaltigungsopfern vorurteilsfrei gegenüberzutreten, nickte ich verständnisvoll.
    Sie erklärte uns, dass er sie in eine Art Trance versetzte, sich dann neben sie kniete und sie befingerte.
    »Wo genau hat er Sie berührt, Ciarita?«
    »An meiner Muschi.«
    »Verstehe. Erzählen Sie bitte weiter.«
    Irgendwann hatte sie Angel aufgefordert, damit aufzuhören, und er ließ es tatsächlich sein.
    »War dieses Verhalten nicht ungewöhnlich für einen Santero ?«
    »Ich hab’ ihn gefragt, warum er so was tut, und er hat gesagt, die Geister hätten es ihm befohlen.«
    »Haben Sie ihm das geglaubt, Ciarita?«
    Ciarita lachte. »Jedenfalls konnte es nicht der Geist von Nestor Salerios sein, da war ich ganz sicher. Er hat mich grün und blau geschlagen, sobald mich ein anderer Mann nur eine Sekunde zu lang angeschaut hat, Miss Alex. Er war immer sehr eifersüchtig, und daran ändert auch der Tod nichts.«
    Ich warf einen kurzen Blick auf den Haftbericht, den ein Polizeibeamter kurz nach der Festnahme von Cassano geschrieben hatte, und las, dass der Beamte bei Cassano eine starke Alkoholfahne festgestellt hatte.
    »Sagen Sie, Ciarita, was trank Angel an dem betreffenden Tag in seiner Wohnung?« Margie hatte diesen Punkt in ihrer ersten Befragung nicht angesprochen; wahrscheinlich deshalb nicht, weil Ciarita sich nicht von sich aus dazu geäußert hatte.
    »Lassen Sie mich überlegen«, antwortete sie und blickte hoch zur Decke, als könnte sie dort die Antwort finden. »Rum. Ja, ich bin ziemlich sicher, dass es Rum war.«
    »Hat er Ihnen auch etwas angeboten?«
    »Ja, hat er. Er hat mir gesagt, die Geister mögen das. Aber ich hab’ nur einen kleinen Schluck getrunken, nicht viel.«
    Love Potion Number Nine. Das Einzige, was jetzt noch fehlte, war die Zigeunerin mit dem Goldzahn, aber die tauchte wahrscheinlich bei Ciaritas nächstem Besuch auf.
    Ciarita gab ihm das Geld für die Sitzung und ging – ich musste mich auf die Zunge beißen, um sie nicht zu fragen, ob sie ihm für die Sondereinlage nicht ein Extra-Trinkgeld gegeben hatte.
    Das Erstaunliche an der Sache war, dass sie zwei Tage später wieder zu ihm ging. Ja, gab sie zu, sie habe sich schon gefragt, ob er nicht nur an einer sexuellen Beziehung mit ihr interessiert gewesen sei und ob er wirklich so vertrauenswürdig war, wie sie anfangs geglaubt hatte.
    Genau dieses Muster wiederholte sich in vielen solcher Geschichten: Ciarita war von Cassano bereits sexuell belästigt worden und wusste auch, dass er etwas Unrechtes getan hatte – und trotzdem ging sie wieder zu diesem Mann. Ihre Einsamkeit, ihre Hilflosigkeit und Verletzbarkeit waren für mich ebenso offensichtlich wie sie es für den blinden Santero gewesen sein mussten.
    Bei ihrem nächsten Besuch verfiel Ciarita nach einigen Schlucken Rum und der Anrufung der Geister erneut in Trance – wieder splitternackt auf der Decke in der Mitte des Raumes. Doch diesmal war der Bann erst gebrochen, als Angel sich auf sie legte und versuchte, mit seinem Penis in ihre Vagina einzudringen.
    »An dieser Stelle habe ich noch ein paar Fragen«, unterbrach ich Ciaritas Erzählung. Hier waren Margies Notizen besonders lückenhaft.
    »Diese Trance, die Sie beschreiben – waren Sie währenddessen bei Bewusstsein? Waren Sie bei sich, begriffen Sie, was um Sie herum passierte?« Ich musste sicherstellen, dass sie nicht bewusstlos gewesen war oder unter Drogen stand.
    »Klar doch, Miss Alex. Ich hatte dieses Mal die ganze Zeit meine Augen auf.«
    »Hat Angel Sie dieses Mal zuerst mit seinen Fingern berührt?«
    »Nein, Ma’am, ich bin doch nicht blöd. Wenn er das getan hätte, wäre ich sofort aufgestanden und

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