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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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gibt’s in der Umkleide auch was zu essen, also werden wir ihm Gesellschaft leisten.«
    Ich folgte Mercer um die Ecke und den Gang entlang bis zum Ende. An den Wänden des etwa fünf mal sieben Meter großen Raumes standen ramponierte dunkelgrüne Spinde. Zum Inventar gehörten eine Kaffeemaschine, ein Kühlschrank, schätzungsweise aus dem Jahr 1940, ein Fernsehapparat und ein großer rechteckiger Tisch, auf dem Getränkedosen, drei Pizza-Kartons, eine Schachtel, die früher einmal ein Dutzend Donuts beherbergt hatte, einige halbleere Tüten mit Nachos und Salzbrezeln sowie ein paar Zigarettenpackungen standen. Das einzige Kunstwerk, das die Wände schmückte, war ein Penthouse-Poster; auf den üppig gerundeten Körper des blutjungen Models hatte man den Kopf von Janet Reno montiert. Ich erinnerte mich, dass die Justizministerin Ende 1996 den Bezirk besucht hatte, und musste grinsen; sie hatte offenbar einen tiefen Eindruck hinterlassen.
    »Heute geht’s um berühmte Anführer, Coop. Ich setz’ fünfzig. Will diesen Fall doch schließlich optimistisch beginnen.«
    Chapman zog einen Schein aus seiner Geldbörse und legte ihn auf den Tisch, während er nach dem nächsten Pizzastück griff. Dann schob er mir den Karton rüber, und gemeinsam mit Mercer öffnete ich den Deckel – er war mit Fettflecken übersät, und die Pizza war eiskalt. »Die liegt hier schon seit Stunden rum«, bemerkte Wallace. »Darauf kann ich verzichten. Ich setz’ meinen Fünfziger auf das Mädel, Chapman.«
    »Überleg’s dir gut – das ist sein Fachgebiet«, warnte ich Mercer. Chapman hatte in Fordham Geschichte studiert, und auf diesem Gebiet schlug er mich mühelos.
    »Du warst doch sonst immer auf Draht, Coop. Was ist los mit dir? Berühmte Anführer … du liest doch jeden Tag die Zeitung, oder? Vielleicht geht’s ja um eine aktuelle Persönlichkeit, nicht um einen Verblichene. Wenn nach einem Cousin von Mercer gefragt wird, der in Afrika einen Tutsi-Stamm anführt, oder nach dem Präsidenten einer baltischen Republik, die’s vor drei Wochen noch gar nicht gegeben hat, muss ich passen. Also los, da ist Trebek.«
    Alex Trebek hatte seinen drei Kandidaten soeben die Final-Jeopardy-Antwort bekannt gegeben. Ich las den Namen Medina Sidonia und hatte keine Ahnung, wer das sein sollte.
    Chapman setzte sein Pokerface auf und ließ mir den Vortritt. Mit der ernstesten Stimme, die ich zustande brachte, lieferte ich ihm die Frage: »Wer war vor John Gotti der Kopf der Brooklyn-Fraktion der Gambino-Familie?«
    »Leider falsch«, erwiderte er, während er der Pizza einen Donut mit Zuckerguss folgen ließ. »Señor Sidonia – übrigens ein spanischer Adliger, Miss Cooper, und kein Mafioso – war der Oberbefehlshaber der spanischen Armada; er führte seine Seeleute an der Küste entlang, im Rücken die Unterstützung der Landstreitmächte unter Alessandro Farnese, dem Herzog von Parma …«
    » Ich glaub’, ich hol’ mir was zu essen«, rief ich über die Schulter, während ich mich entfernte. Wieder einmal hatte mich Mike mit seinem geradezu enzyklopädischen Wissen in Sachen Militärgeschichte verblüfft. »Tut mir leid, Wallace. Ich revanchier’ mich bei Gelegenheit. Aber jetzt plaudere ich erstmal ‘ne Runde mit Anna.«
    Als ich den Umkleideraum verließ, sah ich Chief McGraw in der offenen Tür zu Petersons Büro stehen. Neben dem Schreibtisch des Lieutenants stand ein alter Holzbock, auf dem ein großer Skizzenblock lehnte; auf dem ersten Blatt stand in ordentlichen Buchstaben »Mid-Manhattan Hospital«. McGraw hatte vorgeschlagen, das Briefing hinten durchzuführen, so dass er währenddessen die Berichterstattung auf New York 1 verfolgen konnte, einem lokalen Fernsehsender, der jede halbe Stunde aktuelle Nachrichten brachte.
    Mercer war mir gefolgt und flüsterte mir ins Ohr: »McGraw hat sich seit der Pressekonferenz vor einer Stunde mindestens schon sechs-, siebenmal in der Glotze gesehen, aber offenbar kann er wieder mal nicht genug von seinem eigenen Konterfei kriegen, was?«
    Während die beiden das Büro verließen, bedeutete uns Peterson, wieder zurück in den Umkleideraum zu gehen, und drückte Mercer das Holzgestell in die Hand. Dann brüllte Peterson die Namen von drei anderen Männern, die er beim Briefing dabeihaben wollte, durch den Einsatzraum. McGraw würdigte mich keines Blickes, also verschwand ich schnell in der Umkleide, um sicherzustellen, dass Mike nicht zufällig eine Parodie des Chiefs aufführte. Aber

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