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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Häberle zufrieden. »Kein Vorwurf, Herr Kollege. Sie haben die Sachen ja nicht gelesen. Nicht schlimm.«
    Häberle gab dem Ulmer Beamten die Handynummern von Fludium und Linkohr und bat, einen von beiden sofort zu informieren. Außerdem sollten die Substanzen so schnell wie möglich analysiert werden.
    »Und der Brief?«, hakte der Anrufer vorsichtig nach.
    »Natürlich alle erdenklichen Spuren auf dem Kuvert sichern – und dann sollen ihn die Spezialisten öffnen«, entschied Häberle. »Geben Sie mir bitte sofort Bescheid, sobald ein Ergebnis vorliegt.«
    »Und dieses Ery-dingsbums«, knüpfte der Ulmer noch einmal an Häberles geheimnisvolle Bemerkung an.
    »Vergessen Sie’s einfach«, beruhigte ihn Häberle. Dann fügte er aber trotzdem noch hinzu: »Die Tour de France lässt grüßen.«
    Der Mann in Ulm war offenbar sprachlos geworden.
     
    In Peking brannte die Sonne durch die smogverhangene Atmosphäre. Hocke stand wie angewurzelt und ließ die Menschenmengen an sich vorbeifluten. Vor ihm erhob sich der mächtige Kaiserpalast mit seinem Pagodendach, seinen gewaltigen Säulen und den Drachendarstellungen an den Ecken. Das Gesicht, das Hocke bekannt erschien, verzog sich zu einem Grinsen. Niemals hätte er gedacht, diesen Mann noch einmal zu treffen. War es ein gutes Zeichen oder ein schlechtes? So, wie dieser Mann in Begleitung zweier weiterer auf ihn zukam, heraus aus der Menge, zielstrebig und energisch, konnte es auch ein Hinrichtungskommando sein. Die drei Männer, die in ihren schwarzen Nadelstreifenanzügen so gar nicht zu dieser Umgebung passen mochten, würden jeden Augenblick eine Waffe ziehen und ihn vor den Augen der Touristen über den Haufen schießen. Nein, stoppte Hocke seine panischen Gedanken. Nein, das würden sie nicht tun. Nicht hier und nicht zu diesem Zeitpunkt, 13 Monate vor Eröffnung der Olympischen Sommerspiele. Das Aufsehen wäre viel zu groß. Mord in der Verbotenen Stadt – nein, das brauchte er nicht zu befürchten. Aber was wollten sie dann inszenieren?
    Zhao, der Chinese, der ihn gestern Abend so abrupt beim Essen hatte sitzen lassen, reichte ihm die Hand, als sei es eine Geste der Versöhnung. »Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen«, sagte er. Dann deutete er auf seine Begleiter. »Das sind Mitarbeiter von mir.« Hocke erkannte zumindest in einem von ihnen den Mann aus dem Aufzug. Vermutlich war der Dritte der ungebetene Taxipassagier, dachte er. Sie schüttelten sich freundlich die Hände und Hocke wurde bewusst, wie eiskalt seine rechte geworden war.
    »Wo könnten wir uns besser treffen als an so einem geschichtsträchtigen Ort«, begann Zhao theatralisch und zeigte auf den Königspalast, zu dem hinüber sich der Touristenstrom über die Steinbrücken des Goldwasserflusses drängte.
    Zhao deutete den drei anderen Männern an, ein paar Schritte beiseite zu gehen, um den Menschenmassen nicht den Weg zu versperren.
    »Diese Umgebung«, fuhr er fort, »sie bietet uns die Gewissheit, miteinander reden zu können, ohne auf fremde Ohren achten zu müssen.« Er bemühte sich um gepflegtes Deutsch, dachte Hocke. In blumigen Worten umschreiben, was man auch einfacher hätte sagen können: dass es hier in diesem Menschengewühl natürlich sehr wohl jede Menge fremde Ohren gab – aber eben keine Abhöranlagen, wie man sie in geschlossenen Räumen vermuten musste. Hocke war bei der Vorbereitung auf diese Reise auf Berichte gestoßen, in denen vor ›Wanzen‹ und allerlei elektronischen Abhörgeräten gewarnt wurde. Es gebe sogar Hotels, da seien die Zimmer auf ähnliche Weise präpariert wie einst in der DDR. Hocke hatte sich deshalb für eines der eher kleineren Hotels entschieden, die möglicherweise nicht so direkt im Visier der staatlichen Organe waren.
    »Lassen Sie uns durch den Ort unserer Vorfahren gehen«, forderte Zhao ihn auf und ging die Stufen in Richtung der Brücken hinab. »Ich musste Sie leider gestern Abend verlassen, weil ich eine wichtige Nachricht erhalten habe«, fuhr er fort und ging dicht neben dem Deutschen, während sich die beiden anderen Chinesen hinter ihnen hielten. »Eine Nachricht, Mr. Hocke, die Sie betraf.«
    Der Angesprochene versuchte, gelassen zu bleiben. »Das hab ich mir gedacht.« Bei dem Gedanken an die Männer hinter ihm war es ihm unwohl. Immerhin hatten die ihn sofort beschattet – und dies nicht mal unauffällig.
    Zhao lächelte wieder. »Sie sind nämlich gar nicht der, für den Sie sich ausgeben.«
    Jetzt war es raus.

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