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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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könnten.«
    Fludium grinste. »Ich rate nicht. Ich weiß es. Es heißt Bozen.«
    In diesem Moment betrat eine junge Beamtenanwärterin den Raum und legte zwei Blätter auf Fludiums Schreibtisch. »Zu den Telefondaten«, sagte sie etwas schüchtern und verschwand wieder.
     
    Der Chinese grinste. Hocke hatte noch versucht, das Schließen der Lifttür zu verhindern. Doch die Technik war gegen ihn. Er fühlte sich plötzlich wie gelähmt und wollte dennoch Haltung bewahren. Sein Herz pochte erneut bis zum Hals. Das Lämpchen für die nächste Etage flackerte auf. Er hatte ganz vergessen, seine Etage zu drücken – und wohin der Chinese wollte, war ihm völlig entgangen. Hocke wandte seinen Blick von dem Mann, der ihm nur einen halben Meter entfernt stand, und drückte auf die Taste neben der Zahl Sieben. Sie kamen gerade an der zweiten Etage vorbei, ohne dass der Lift seine Geschwindigkeit verringerte.
    Hocke bemerkte erst jetzt beim Blick in den seitlich angebrachten Spiegel, dass der Unbekannte die rechte Hand in der Hosentasche stecken hatte. Das dunkle Jackett war offen, die Krawatte gelockert. Wenn der Mann den Aufzug zwischen zwei Stockwerken zum Halten brachte, gab es keine Chance, durchzuckte es ihn. Nie zuvor war ihm eine Liftfahrt so lange vorgekommen. Dritte Etage. Das Hotel hatte zehn Stockwerke. Es konnte doch nicht sein, dass dieser Mann auch in das siebte wollte. Hocke vermied es, ihm wieder ins Gesicht zu blicken. Stattdessen tat er so, als studiere er die Hinweise neben den Druckknöpfen. Es waren chinesische Schriftzeichen und englische Worte. Nichts davon konnte Hocke verstehen. Dafür beobachtete er den Mann über den Umweg der großen Spiegelfläche.
    Vierte Etage. Das leise Summen der Stahlseile erfüllte den kleinen Raum, den die Maschinerie gnadenlos und gleichmäßig nach oben hob. Als sei er in ein Himmelsfahrtskommando geraten, dachte Hocke. Wie oft hatte er schon in Aufzügen gestanden, zusammen mit wildfremden Menschen, hatte kein Wort gesprochen und war froh gewesen, dass diese schweigende Zwangsgemeinschaft schon nach einer halben Minute wieder auseinandergehen konnte. Jetzt dauerte dies, objektiv betrachtet, kaum länger – und doch erschien es ihm wie eine Ewigkeit. Er bemerkte, dass der andere in der Hosentasche krampfhaft nach etwas suchte. Zumindest sah es so aus. Messer, hämmerte es in seinem Kopf. Ein Messer. Was denn sonst? Der Mann war ihm körperlich bei Weitem überlegen. Einen halben Kopf größer, der Brustumfang unbestritten respektabel. Hocke sah ihn für den Bruchteil einer Sekunde an und erntete dafür, wie es ihm schien, wieder ein überlegenes Lächeln. Natürlich hatte er gelernt, sich auf einen drohenden Nahkampf einzustellen. Natürlich war er mit allen wichtigen Griffen und Tricks vertraut. Aber daheim in Deutschland hatte er sie bislang so gut wie gar nicht im Ernstfall anwenden müssen.
    Fünfte Etage. Er räusperte sich. Innerhalb weniger Sekunden, so schien es ihm, war es in der Kabine unerträglich heiß geworden. Steig aus, empfahl ihm eine Stimme im Gehirn. Steig aus. Drück die Nummer sechs, solange es noch Zeit ist. Er hielt seinen Blick in den Spiegel gerichtet und betrachtete darin das Hinweisschild auf die Angebote des Restaurants. Es wurde jedoch zur Hälfte durch die stattliche Statur des Mannes verdeckt.
    Zu spät. Die sechste Etage fuhr vorbei – doch dann übertönte ein Klicken das monotone Summen der Führungsräder im Schacht. Der Lift verlangsamte sein Tempo und näherte sich der siebten Etage. Das Ziel. Mit einem sanften Ruck blieb die Kabine stehen. Nichts wie raus, sofort weg, befahl Hockes innere Stimme. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, wie einsam es auf den dick mit Teppichböden ausgelegten Hotelfluren sein konnte. Dezentes Licht, enge Gänge. Schallisolierende Materialen dämpften Schreie und Schritte. Wen scherte es schon, was im siebten Stockwerk eines Betongiganten geschah?
    Endlos langsam schob sich die Tür zur Seite. Hocke wollte so schnell wie möglich hinaus, doch der Chinese versperrte ihm mit einem ersten Schritt den Weg und strebte ins Freie. Der Deutsche verharrte in der Bewegung und sah instinktiv seinem Gegenüber ins Gesicht. Noch immer glaubte er, dieses überlegene Lächeln zu erkennen. Hockes Hals war wie zugeschnürt, sein Hemd klebte am Körper. Er hatte sich in der Ausbildung auf viele unangenehme Situationen einstellen müssen, aber die vergangenen 30 Sekunden, falls es überhaupt so viele waren, erschienen ihm

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