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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Bruder, deshalb hat er sich vermummt. Er will sich der FSA anschließen. Kurz zeigt er uns sein Gesicht, damit wir sehen, dass es mit dem Foto auf seinem Ausweis übereinstimmt.
    Er wirkt nervös hinter seiner Vermummung, angespannt. Seine Augen sind immer in Bewegung. Unser Gastgeber schreit ihn an: »Du bist Offizier, du musst mutig sein. Warum versteckst du dein Gesicht! Ein Offizier gibt Befehle, er muss ein Vorbild sein.«
    Freunde haben dem Offizier erzählt, was in den Militärgefängnissen der Vororte von Damaskus, Qabun und Adra, los ist. Dort sind Offiziere eingesperrt, weil sie sich gegen das Regime geäußert haben oder sich geweigert haben zu schießen. Sie sind nach Konfessionen getrennt, man vermischt sie nicht; alle sind vertreten, Drusen, Alawiten, Christen etc.
    Er kommt von der Luftwaffe, er war am Militärflughafen von Dumair stationiert, in einem Vorort von Damaskus. Kopilot eines Mi-8-Hubschraubers. Er berichtet, dass Hubschrauber gegen die Demonstrationen in Zabadani eingesetzt wurden, sie hatten ein 7,62-mm-Maschinengewehr in die Tür montiert. Zu Beginn diente es nur zur Abschreckung, aber nachher schossen sie wirklich.
     
    *
     
    11 Uhr. Abfahrt im Regen mit Dem Zorn und Ibn Pedro. Kein Platz im Führerhaus, ich hocke mich auf die Pritsche eines Pick-ups, die mit Munitionskisten vollgestopft ist. Am Ortsausgang von Qusair werden die Munition und zwei Raketenwerfer in einen etwas größeren Transporter umgeladen, mit einem neuen Fahrer. Wir quetschen uns in das Führerhaus, ich auf dem Schoß von Raed, neben Ibn Pedro. Der Zorn fährt in einem anderen Wagen. Straße, dann langer matschiger Weg, auf dem wir zwischen Feldern entlangrumpeln, wir begegnen zahlreichen Lastern, die die Straßensperre umfahren wollen. Regen und Hagel wechseln sich mit Sonnenschein ab. Nach ein paar Kilometern ein neues Dorf, wir holen einen Lastwagen ein, der, versteckt unter einem doppelten Boden aus Metall, Medikamente transportiert, und einen Kleintransporter. Schnellere Fahrt zu einem dritten Dorf. Unterwegs Diskussion zwischen dem Fahrer, Abu Abdallah, und Raed über den Salafismus. Abu Abdallah: »Und, hast du hier Salafisten gesehen, wie es Baschar behauptet?« – Raed: »Kommt drauf an. Was verstehst du unter Salafisten?« – »Eben. Das Wort hat zwei Bedeutungen. Die Muslime aus asch-Scham 27 gehen einen gemäßigten Weg. Für das richtige Leben folgen sie dem Beispiel der frommen Vorfahren, der frommen Männer früherer Zeiten, die ein gerechtes Leben im Sinne des Islam geführt haben. Das ist die ursprüngliche Bedeutung von Salafisten. Die andere Bedeutung, die takfiristische, dschihadistische, terroristische Strömung, ist eine Schöpfung der Amerikaner und Israelis. Sie hat mit uns nichts zu tun.«
    Wir kommen in einem Dorf an und parken neben einem Haus, wo wir von einer Frau und einem lächelnden Jungen mit festem, entschlossenem Händedruck in Empfang genommen werden, ein echter kleiner Kerl. Warten im Empfangszimmer. Die FSA hat Bewegungen der Armee entdeckt, und die Weiterfahrt ist blockiert. Das kann dauern.
     
    Dialog Raed – Ibn Pedro. Ibn Pedro fragt, was wir essen wollen, wenn wir zurück in Baba Amr sind, damit er veranlassen kann, dass es dann fertig ist. Raed: »Schweinefleisch!« – Ibn Pedro: »Dann werden wir dir wohl einen Schiiten abstechen.« – Raed: »Siehst du, du bist doch fanatisch.« – Ibn Pedro: »Stimmt, aber sie haben angefangen. Es ist ihre Schuld.«
    Ibn Pedro erzählt, dass die FSA Gefängnisse in Baba Amr unterhält, wo sie schabbiha einsperrt. Die Prozesse, die sie ihnen machen, sind »fair und korrekt. Die, die Kinder getötet haben, werden zum Tod verurteilt.« Sie haben auch schon Gefangene ausgetauscht, insbesondere als die arabischen Beobachter eintrafen.
    Er war schon mal dabei, als ein schabbih verurteilt und dann erschossen wurde. »Er hatte Kinder getötet.« Sehr vage. »Er war es auch, der auf mich geschossen hat.« Er zeigt seine Verletzung, eine Kugel im Bauch. Blödsinn, denn in Wirklichkeit wurde er vor anderthalb Monaten von einem Scharfschützen in Inschaat angeschossen und in einer Untergrund-Klinik behandelt.
    Lebhafte Diskussion zwischen Raed und Ibn Pedro. Raed wirft Ibn Pedro vor, zu übertreiben und die Tatsachen zu verdrehen. Er erklärt ihm, dass man als Journalist die Fakten präzise wiedergeben müsse, dass Übertreibungen ihnen und ihrer Sache schaden.
     
    Raed ergänzt, was Abu Abdallah über die Salafisten gesagt hat. Es gibt drei

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