Notizen aus Homs (German Edition)
haben, stößt zu uns. Wir verabschieden uns von Abu Abdallah, der uns hier verlässt. Und gerade als es aufhört zu regnen, gehen wir los. Die Sonne funkelt auf den Pfützen. Raed geht vorne mit dem Mann auf einen Tunnel zu, der unter der autostrada hindurchführt, ich bleibe mit Ibn Pedro etwas zurück. Die Strecke dürfte kein Problem sein, aber es ist besser, wenn wir keine zu große Gruppe bilden. Der Schlamm klebt uns an den Schuhen. Ibn Pedro sagt mir, ich solle meine Hosenbeine hochkrempeln, eine sehr feinfühlige Aufmerksamkeit, denn wir waten wirklich im Matsch und er will nicht, dass ich mir die Hose schmutzig mache. Wir gehen unter der Brücke durch; gleich dahinter taucht ein Armeeposten auf. Ein Soldat streckt seine Nase heraus, unsere Freunde wechseln ein paar Worte, der Soldat winkt uns durch, und wir gehen weiter. In der Ferne schemenhafte Industrieanlagen, bröckelnde Mauern aus Fertigbeton, immer noch waten wir im Schlamm. Der Mann verlässt uns und biegt nach links ab, wir gehen mit Ibn Pedro weiter geradeaus, weg von den Bahngleisen. Schräg vor uns, an den Gleisen, steht ein weiterer Posten: Er ist alles andere als ein »Freund«, aber im Prinzip hat er, wenn wir den ersten Posten passiert haben, überhaupt keinen Grund, auf uns zu schießen. Ich sehe den Bunker aus Sandsäcken hinter einem gepflügten Feld, um das wir einen Bogen machen, um dem Matsch auszuweichen. Der Posten ist keine 50 Meter entfernt. Wir passieren ihn ohne Probleme. Dann gehen wir an Häusern vorbei. 300 Meter weiter erwartet uns ein Auto mit zwei Kämpfern und einer Kalaschnikow vorne. Wir fahren schnell los. Nach und nach verdichtet sich das urbane Gewebe, wir sind auf einer Straße zwischen zweigeschossigen Rohbauten, Menschen sind auf der Straße, das ist Dschobar, ein Vorort des äußeren Rings von Homs.
Etwas weiter, an einer Kreuzung in der Mitte einer ziemlich breiten Straße, ein Checkpoint der FSA, lächelnde junge Leute, mit Kalaschnikows bewaffnet. Raed will sie fotografieren, aber Ibn Pedro lehnt ab. Heftige Diskussion, wir halten an, Ibn Pedro und Raed brüllen sich an. Das Problem ist, dass es eine andere katiba ist, und Ibn Pedro will keine Probleme. Er verspricht, uns wieder hierherzubringen, zweifellos mit einem Verantwortlichen. Wir fahren weiter. Kleine Straßen, eine Mischung aus Land, Häusern, kleinen Vororten, wir kommen an Autos mit Soldaten vorbei, bewaffneten Männern zu Fuß, einer anderen Straßensperre der FSA. Sie kontrollieren die gesamte Zone, hier sind es die Obstgärten von Dschobar und Baba Amr, dann die ersten kleinen Häuser von Baba Amr.
Die Gebäude sind übersät mit Einschusslöchern, Splitter von Mörsern, RPGs und Panzergranaten. Wir kommen an weiteren FSA-Posten vorbei, einer ist neben einem Obst- und Gemüsehändler, der seine Kisten hinter den Soldaten aufgereiht hat, dann erreichen wir in einem verlassenen Viertel eine Kommandozentrale der FSA, eine Erdgeschosswohnung mit einer Mauer aus Sandsäcken auf einer Seite. Ein Dutzend Soldaten, gut bewaffnet, nimmt gemeinsam eine Mahlzeit aus Blechnäpfen ein. Wir fahren weiter, das Viertel wirkt leer, das Abendlicht färbt den von Kugeln durchlöcherten Beton gelb, fast schön. Schließlich parken wir vor einem Gebäude und betreten eine andere Erdgeschosswohnung, in der uns Hassan und seine Leute erwarten.
16.20 Uhr. Erläuterungen. Dieser Teil von Baba Amr heißt Haqura, es ist der nördliche Teil des Viertels. Alle Bewohner von Haqura sind in die Dörfer der Umgebung weggezogen, von 10 000 Leuten sind noch zwei Familien da. Baba Amr soll zwischen 120 000 und 130 000 Einwohner haben.
Die katiba al-Faruq, die Baba Amr verteidigt, soll insgesamt 1500 Männer zählen. Der Kommandant von Haqura ist der muqaddam Hassan. Er erzählt, dass er gleich zu Anfang der Revolte desertiert ist: Sein Haus wurde zu Beginn der Repression in Baba Amr zerstört. Vorher war er in Damaskus stationiert, in der Infanterie. Er hat seine Desertion nicht verkündet: Im Gegenteil, um seine Familie zu schützen, hat die FSA von seinem Telefon aus die Armee angerufen und gesagt, sie habe ihn getötet. Für die Armee ist er tot.
Sein Stellvertreter Imad erklärt, dass er jemanden in der Armee hat, der sie, statt zu desertieren, mit Informationen versorgt. Das gibt es, wie es scheint, ziemlich häufig.
Nette Atmosphäre, wir essen sfihas mit Joghurt im Empfangszimmer. Ibn Pedro scherzt weiter über die Salafisten und Whisky. Überall liegen Waffen
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