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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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den Schuppen durch das Gewicht des Ofens nicht dem Einsturz preiszugeben, musste ich eine aufwendige Metallunterstützung bauen. Hier …«, Alex bückte sich und klopfte auf einen Stahlträger, der unter uns quer durch den Raum und an den Außenwänden des Hauses verlief. »… hier klebt der Schweiß vieler Stunden!«
    »Wie hast du das alles hierher gebracht?«
    »Frag mich nicht! Immer nur stückchenweise! Seit zwei Jahren konstruiere und baue ich daran. Fast immer habe ich alleine daran gearbeitet. Wenn ich ehrlich bin, war es mehr ein Ausprobieren, als ein konstruieren. Die Idee dazu stammt aus einem meiner Comics. Aber so etwas in die Realität umzusetzen, ist natürlich schwierig.«
    »Wer hat dir denn mit der Stahlkonstruktion geholfen? Jemand aus dem Haus ?«
    »Ja, das war das Einzige, was ich nicht alleine schaffen konnte. Und natürlich auch das mit dem Ofen. Jens hat mir geholfen und manchmal Günter Buchheim.«
    »Jens?«
    Ich sah mich um. Dass Jens sich hier einmal bewegt und geschwitzt hatte, verlieh dem Raum für mich plötzlich ein Gedenkstättenflair. Wie ein Feuerwehrmann schwang sich Alex an einer Stange, die neben der Leiter von der Zwischendecke bis zum Boden reichte, nach unten.
    »Elegant«, kommentierte ich und rutschte lachend hinter ihm her. Alex fing mich auf, hielt mich fest im Arm und küsste mich auf den Mund. Dann schob er mich vor sein Kunstwerk.
    »Pass auf! Bleib mal da stehen!«
    Aufgeregt griff er nach einer verschlossenen Cola-Flasche und goss die große Kaffeetasse, die auf einem Brett stand, voll. Dann legte er einen weißen Drops, der aussah, wie ein Pfefferminzbonbon, auf eine Halterung aus Pappe, lief zu der Kerze, und zündete sie an. Eine Weile bestaunte er sein eigenes Werk, bevor er beschwingt zu mir zurückkam.
    »Jetzt pass auf!«
    Er nahm ein sehr langes und dünnes Metallrohr in die Hand.
    »Willst du es tun?«, fragte er.
    »Was denn?«
    Er drückte mir das Metallrohr in die Hand.
    »Wir machen es gemeinsam. Du hältst mit fest und ich puste.«
    Verwundert fasste ich mit an. Alex stand hinter mir, wir zielten auf ein feines Windrad und dann blies Alex mit aufgeblähten Backen kräftig hinein. Gespannt beobachtete ich, was passieren würde.
    Erst eine Sekunde später bewegte sich das Rad. Es drehte sich und brachte wiederum etwas anderes in Gang. Der Drops fiel in die Tasse und die Cola schäumte wie bei einem Vulkanausbruch. Der ganze Ablauf dauerte nur Sekunden. Ein Brett auf einer Wippe kippte, ein schwerer Zylinder rollte herab und verschob die Kerze ein ganz klein wenig nach vorne. Ich blickte kurz zu Alex, der extrem angespannt auf die Kerze starrte. Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, fing das gespannte Seil über der Kerze Feuer. Es riss und der schwere Ofen, der an dem Seil hing, löste sich und krachte mit lautem Getöse auf einen extra markierten Fleck am Scheunenboden. Der Schuppen erschütterte schwer. Ich hielt mir die Ohren zu. Alex sagte etwas, aber ich verstand ihn nicht. Ich sah nur seinen Mund sprechen und sein verzücktes Gesicht, als er auf mich einredete. Dann nahm er mir die verkrampften Hände vom Kopf.
    »Es hat geklappt! Es hat geklappt! Na, was sagst du dazu?«
    Befremdet betrachtete ich den unversehrten Ofen am Boden. »Wozu?«
    Es erschloss sich für mich überhaupt kein Sinn für diese aufwendige Kettenreaktion. »Ich habe zwar keine Ahnung, worum es eigentlich geht, aber mir stellt sich die Frage, warum du nicht einfach nur das Seil löst und dir die Kettenreaktion sparst?«
    Für eine Weile erstarb Alex' Begeisterung. Er schüttelte den Kopf, als wollte er meine eben gemachte Bemerkung aus sich heraus schütteln. Dann lachte er wieder.
    »Hey, Sarah, das ist doch gerade das Einzigartige. Comics, verstehst du? Comics sind Kunst! Das Leben am Rande des Extremen verlangt nach einem ebensolchen Tod!«
    Verliebt in sein Kunstwerk wandte er sich zu dem Ungetüm in der Scheune um.
    »Wow, das war jetzt sozusagen die Generalprobe. Es passt perfekt! Der alte Ofen trifft genau dort auf, wo ich es markiert habe!«
    Er rannte zu der Markierung und dem Ofen und lief aufgeregt darum herum.
    »Was meinst du also? Könntest du dir vorstellen, das mit mir gemeinsam zu vollenden?«
    »Ich? Aber ich habe doch gar keine Ahnung von solchen Konstruktionen.«
    Aber Alex meinte etwas anderes. Er kam auf mich zu und packte mich an beide Schultern.
    »Du und ich – wir beide gemeinsam, Arm in Arm, küssend, eng umschlungen, stellen uns in

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