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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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nichts Krebserregendes untergemischt, oder?«
    Sie lachten, nicht aber Jochen, der in Sachen Krebs keinen Spaß verstand. Ich stocherte unwillkürlich mit der Gabel in der Bolognese. Der Appetit war mir so oder so vergangen.
    »Ist da auch wirklich nichts drin?«, argwöhnte ich, was bei den anderen nur ein mitleidiges Lächeln hervorrief. »Stellt euch vor, wir sterben alle an Krebs!«
    »Ja – alle, außer Jochen!«
    Gelächter brach aus, nur Jochen und ich fanden das, aus gänzlich unterschiedlichen Gründen, nicht komisch. Auch Buchheim lachte nicht.
    »Beeilt euch lieber, gleich geht’s los«, drängte Franziska, die neben mir saß und vom Stuhl aus mit ihren kurzen Armen gerade über den Tisch reichte. »Haben Sie sich das Kunstwerk inzwischen angesehen, Sarah?«
    »Welches Kunstwerk?«
    »Sagen Sie bloß, Alexander hat Ihnen noch nichts über sein unübertroffenes Kunstwerk berichtet.«
    Sie zwinkerte mir und Alexander zu. Der lächelte verschmitzt.
    Während die anderen sich bereits vor dem Haus versammelten, folgte ich Alex in eine weiter entfernt stehende Scheune. Vor der schweren Holztür hing ein Vorhängeschloss, das er mit einem Schlüssel aus seiner Hosentasche öffnete. In dem alten Schuppen war es stockdunkel. Zwangsläufig verlegte ich meine Empfindungen auf andere Sinnesorgane. Man hörte das Knarren der hölzernen Tür hinter uns und es roch nach Feuchtigkeit, aber auch nach morschem Holz, verrottetem Heu und Altöl oder Diesel. Ich mochte diesen muffigen Geruch nicht.
    Alex machte Licht mit vier alten Petroleumlampen, die an Haken an den Wänden hingen. Jetzt erst vervollständigten meine Augen das Gesamtbild und boten mir weniger Gerümpel und Spinnengewebe, als vermutet, jedoch ein diesiges Licht.
    Der Schuppen hatte mindestens eine Deckenhöhe von sechs Metern, vielleicht auch acht. An den Wänden lagerten noch immer alte Heuballen und es gab eine übliche Zwischendecke, die nur über eine Leiter zu erreichen war. Mitten in der Scheune stand irgendein großes, mit einem Segeltuch verdecktes, Gebilde. Eigentlich gab es auf dem Dachboden eine weite Öffnung, aus der zu Bauernhoftagen Transporte nach unten erfolgen konnten. Aber diese Öffnung war mit Brettern vernagelt, sodass kaum Licht von dort in den Innenraum gelangte. Alex lief auf die Leiter zu und zog mich mit.
    »Da hinauf?«
    Ich hatte keine Lust auf die Leiter.
    »Die siebte Sprosse fehlt! Vorsicht!«, warnte Alex.
    Er stand bereits oben auf der Zwischendecke, als ich die Leiter noch prüfte, die sich als ziemlich alt und verwahrlost entpuppte und Zweifel in mir weckte, ob sie das Gewicht eines Menschen überhaupt aushielt.
    »Keine Angst, ansonsten ist sie stabil«, rief Alex nach unten.
    Nur äußerst zögerlich folgte ich ihm nach oben, in Erwartung, mein Halt bräche mir unter den Füßen weg. An der höchsten Sprosse angekommen, reichte Alex mir die Hand und zog mich hoch. Viel sicherer fühlte ich mich allerdings auf dem, unter jeder Bewegung knarrenden, Boden der Zwischendecke auch nicht.
    »Gleich wirst du mein Wunderwerk sehen.«
    Er benutzte zusätzlich eine Taschenlampe. Aufgeregt löste er eine festgebundene Schnur und zog daran, bis das meterlange angegraute Tuch sein Geheimnis freigab, das gut ein Drittel der Scheune einnahm. Zum Vorschein kam ein seltsamer Aufbau, der mir nichts sagte, zusammengesetzt aus einer Menge Metall, Zahnrädern und Ketten. Und mittendrin standen ein Kaffeebecher und eine dicke Kerze.
    Verschämt hauchte Alex: »Ich nenne es mein Kunstwerk!«
    Das war also sein Kunstwerk. Für mich sah es aus, wie das Bastelwerk eines Jungen in riesengroßer Ausführung. Damals war ich eher enttäuscht, denn von dem, was vor mir stand, konnte ich mir keinerlei Funktion ausmalen. Doch Alex war stolz, sehr stolz sogar.
    »Wie findest du es?«
    »Ziemlich gewaltig«, sagte ich, ohne zu lügen.
    Er sah mich nachdenklich an und dann warf er einen langen Blick auf sein Werk.
    »Gut, es hätte zierlicher ausfallen können, wenn ich andere Elemente benutzt hätte. Daran habe ich auch schon gedacht. Schließlich ließ ich es so, besonders da … am Ende …«
    Alex zeigte auf einen, an einem dicken Seil von der Decke hängenden, uralten Ofen.
    »… ein Kohleofen! Ich habe mich bewusst für solche alten banalen Dinge entschieden. Du wirst es verstehen, wenn ich dir erst den Mechanismus vorgeführt habe.«
    Um die Konstruktion aufgedeckt zu lassen, befestigte er die Schnur der Abdeckung an einem Haken im Gebälk.
    »Um

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