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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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Arme hängen. Dann schossen mir Tränen in die Augen und ich begann, am ganzen Körper zu zittern.
    »Ich bin am Ende, Alex … ich kann nicht mehr … Der Kerl versucht, mich zu vergewaltigen und bedroht mich, nur, weil ich ein paar Tage nicht in das Haus der Verlorenen komme und du drängst mich dazu, mich von einem verdammten Ofen erschlagen zu lassen! Und mein Kopf droht von Woche zu Woche vor Schmerz mehr auseinanderzusprengen. Ich kann das alles nicht mehr ertragen.«
    Alex kam auf mich zu. Er streichelte mein Haar und meine Wangen.
    »Alles ist gut, hörst du? Du musst nichts tun, wofür du nicht bereit bist. Niemand wird dich mehr unter Druck setzen. Okay?«
    Bei seinen Worten schlang ich meine Arme um ihn und heulte an seiner Brust. Wir liebten uns nicht an diesem Abend, weil ich dauernd an Buchheim denken musste, und mehr als eine Umarmung nicht ertrug. Aber ich fühlte mich geborgen für ein paar Stunden und ich genoss sie, gerade, weil ich wusste, dass ich Alex niemals wirklich an mich binden konnte. Er gehörte mir nicht, ebenso wenig, wie ich ihm gehörte. Nur diese Stunden gehörten uns beiden.
    Als wir nachts, noch immer wach, nebeneinander im Bett lagen, schockierte mich nicht, was er sagte.
    »Hör zu, Sarah, ich erwarte nicht, dass du meiner Einladung in die Scheune folgst, aber versuche bitte nicht, mich davon abzubringen. Du hast die Wahl: Komm mit mir oder bleibe zurück! Ich werde es auf jeden Fall auch alleine durchziehen. Wie auch immer du dich entscheidest. Bis dahin könnten wir unsere Zeit gemeinsam verbringen. Willst du das nicht, dann werfe mich jetzt hier raus.«
    Ich warf ihn nicht heraus. Natürlich nicht. Ich wollte die Grundlage unserer Beziehung einfach vergessen, wenigstens für heute, doch noch lieber direkt für die nächsten Wochen oder vielleicht sogar Monate.
    »Können wir heute einmal über etwas anderes reden, als den Tod?«
    Schmunzelnd drückte er mich an sich.
    »Natürlich, Sarah! Was sollen wir tun?«
    »Alex, ich meine das ernst! Alle schönen Dinge kann man nur tun, solange man lebt.«
    »Tote vermissen nichts, Sarah.«
    »Verstehe mich doch! Ich möchte Zeit mit dir verbringen, deine Nähe spüren und dich lieben. Ich möchte nicht meine Gefühle in einen Fast-Toten investieren. Davor habe ich Angst. Denn ich werde diejenige sein, die zurückbleibt, während du nichts mehr vermissen wirst.«
    »Du musst ja nicht zurückbleiben, Sarah. Komm mit mir. Es wird nur ein kurzer Schmerz sein.«
    Meine Augen wurden nass, aber das sah er im Dunkeln nicht.
    »Alex, bleib bei mir! Lass uns doch leben! Ich will, dass du bei mir bleibst. Versprich mir das!«
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht? Wegen deiner Ehre? Wegen Buchheim und diesem dämlichen Haus ?«
    In meiner Aufregung wurde ich laut und kniff ihm in die Oberarme. Um mich zu beruhigen, küsste Alex mich.
    »Du wolltest doch heute nicht über den Tod reden. Wir reden später darüber.«

Der Tag X

    Alex überredete mich, doch wieder mit in das Haus zu kommen. Buchheim sei für ein paar Tage verreist, sagte er. Und ich bin mir sicher, hätte er mir das nicht gesagt, wäre mir vielleicht ein endgültiger innerlicher Abschied von diesem Haus gelungen. Ein Abschied, den ich so lange hinziehen wollte, bis ich Alex entweder gewinnen oder ganz verlieren würde. So aber, da Buchheim nicht dort war, ließ ich mich überreden. Ich fuhr mit Alex mit und an Buchheims Stelle leitete die kleine Franziska den Verein.
    Am selben Abend noch sprach sie mich an, als wir uns alleine gegenübersaßen.
    »Sie sind recht still«, sagte sie mit besorgter Miene. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Ich blickte auf ihr sanftes Gesicht und frage mich, wie nahe sie Buchheim stand. Waren sie ein Paar? An manchen Abenden hatte ich den Eindruck gehabt, dass die beiden mehr als der Verein verband. Auf jeden Fall kannten sie sich wohl schon sehr lange. Wie viel konnte ich ihr anvertrauen? Und wäre es nicht meine Pflicht gewesen, sie von dem brutalen Überfall ihres Partners auf mich aufzuklären?
    Mit einem Handgriff löste ich die Schleife meines Schals, den ich um den Hals trug, und ließ ihren Blick auf die dunklen Abdrücke auf meiner Kehle zu. Franziska sah es sofort.
    »Um Himmels willen, was haben Sie da?«
    Sie sah entsetzt aus.
    »Jemand hat versucht, mich zu vergewaltigen.«
    Nun war es raus und ich wusste, ich würde es ihr sagen.
    Sie blickte sehr ernst. »Wer hat Ihnen das angetan?«
    Für einen Moment zögerte ich. Sie kam schneller zum

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