Notizen einer Verlorenen
Punkt, als ich es gedacht hatte.
»Günter Buchheim!«
Ich wartete gespannt auf ihre Reaktion. Es war nur gerecht, wenn seine Partnerin davon erfuhr und ich meinte, ihm sollte wenigstens dieser Ärger nicht erspart bleiben.
Franziska blieb eine gefühlte Minute stumm und verlor in dieser Zeit einen großen Teil ihrer sonst so gesunden braunen Gesichtsfarbe. Ich hatte den Eindruck, sie würde in dieser Minute vor Schreck nicht einmal blinzeln. Dann aber zwinkerte sie gleich mehrfach hintereinander.
»Wie konnte es so weit kommen?«, fragte sie mit einer gewissen Bestürzung, aber durchaus gefasst. Viel gefasster, als ich es gehofft hatte und das ärgerte mich. Vielleicht war es nicht das erste Mal, dass ihr Freund so mit anderen Frauen umging. Ein Mann, der so etwas fertig brachte, beließ es sicher nicht nur bei einem Mal. Wer sollte das besser wissen, als ich?
»Ich weiß nicht, wie ein Mann dazu kommt, so etwas zu tun«, sagte ich bitter. »Können Sie es mir sagen?«
Ich blickte sie herausfordernd an. Natürlich konnte sie nichts dafür, aber ich sah sie so an, als hätte sie selbst versucht, mir etwas anzutun, alleine deshalb, weil sie die kleine nette Frau an Buchheims Seite war.
»Ich glaube, darauf kann Ihnen wirklich nur ein Mann Antwort geben.«
Ihre Stimme klang schmerzlich. Sie rührte mit leicht zitternder Hand lange in dem heißen Tee, der vor ihr auf dem Tisch stand, obwohl sie keinen Zucker benutzte. Schließlich ließ sie den Löffel klimpernd auf den Unterteller fallen und blickte mir offen in die Augen.
»Wenn er wieder kommt, werde ich ihn darauf ansprechen, Sarah. So etwas darf nie wieder vorkommen!«
Ihre Antwort überzeugte mich. Zufrieden hob auch ich meine Teetasse, als sie mir die ihre entgegen hielt.
»Auf die Frauen!«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln.
»Auf die Frauen!«, antwortete ich.
Das Weihnachtsfest verbrachte ich nun doch mit Alex im Haus . Es war das erste Mal, dass ich zu den Festtagen nicht zu meinen Eltern fuhr. An diesem Tag sollten Leo und Mathilde verabschiedet werden und meine verdrängte Erinnerung an die Silikonpistole und das Laub auf der Dachluke ihres Wohnwagens glühte auf. Die beiden wollten unbedingt das Fest mit allen Vereinsmitgliedern zusammen feiern und freuten sich über unsere stimmungsvolle Dekoration. Mathilde sah ausgesprochen fein aus und Leo war gekleidet, wie ein Gentleman aus den Zwanziger Jahren. Es war rührend für uns zu sehen, wie sie sich nach all den Jahren, die sie sich kannten, immer noch liebten. Im Dunkeln, bei Kerzenlicht, duftend gefüllten Tellern und Weihnachtspyramide, genossen sie den letzten Abend, den sie nun zusammen lebend verbringen wollten. Franziska persönlich gab ihnen später letzte Anweisungen. Sie sollten sich im Wohnwagen nur wie gewohnt zu Bett legen und vorher die Gasheizung voll aufdrehen. Es wäre ja ohnehin sehr kalt. Danach, versprach Franziska ihnen, würden sie ganz sanft einschlafen.
Da alle anderen so unbeschwert damit umgingen, beruhigte sich mein Gewissen bald wieder. Die beiden wollten es ja so und sie waren zufrieden mit der Aussicht auf einen sanften Tod.
Wir saßen noch lange harmonisch am Kerzentisch und ich fühlte mich so wohl, an Alex' Schulter gelehnt, dass ich davon träumte, mit ihm solche Tage wieder und wieder zu erleben. Seine Nähe war so schön. Ich wusste, dass wir nicht so viele Jahre haben würden, wie Leo und Mathilde, aber eine geringe Zeit blieb auch uns und letztlich auf noch meine Hoffnung auf mehr.
Kurz vor elf Uhr blickte Alex plötzlich auf seine Uhr und richtete sich auf. Ich wunderte mich, denn er wirkte auf einmal so förmlich. Darum dachte ich, es ginge um Leo und Mathilde, doch ich täuschte mich gewaltig.
»Liebe Freunde«, begann er. »Heute, an diesem besonderen Tag, möchte ich euch endlich den Termin für meine lang angekündigte Aktion mitteilen.«
Ich glaubte, nicht richtig zu hören. Eben noch träumte ich von einem Stück gemeinsamer Zukunft, jetzt gab er offiziell bekannt, wann er sich töten wollte! Ohne mit mir vorher darüber gesprochen zu haben! Wieso hatte ich nur geglaubt, er würde sich das noch einmal anders überlegen? Alexander strahlte vor Stolz, während ich überhaupt nicht hören wollte, wann der Tag X sein würde. Meine Ohren verschlossen sich mit einem Rauschen, und als er sich zu mir herab beugte, um mich zu küssen, meinte ich, vor lauter Rauschen ohnmächtig zu werden. Ich fragte niemals nach diesem Datum und doch bekam ich es
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