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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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bibberte. »Was hast du vor?«
    Mit dem langen dünnen Blasrohr kam er auf mich zu. Er sah etwas weniger aggressiv aus, als eben noch und ich versuchte verzweifelt den Alex in ihm zu finden, der mich einmal geliebt hatte.
    Er stand jetzt vor mir und schmunzelte. Dann nahm er fast sanft meine bebende Hand und drückte mir das Metallrohr hinein.
    Mit der freundlichsten Stimme, die er wohl aufbringen konnte, säuselte er: »Tue es, Sarah!«
    Ich ließ das Rohr fallen. Alex zog ein genervtes Gesicht, bückte sich, um es aufzuheben und wollte es mir erneut in die Hand drücken. Als hätte ich mich daran verbrannt, warf ich es abermals weg. Ich ging ein paar Schritte rückwärts, ein Stück auf den Ausgang zu. Alex folgte mir und hielt mir das Metall vor die Nase.
    Plötzlich schrie er so laut, dass ich vor Schreck fast zusammenbrach.
    »Du sollst das jetzt tun!!«
    Das war der Moment, indem ich mich endgültig entschloss zu fliehen, egal wie, nur weg von ihm, obwohl meine Beine schon jetzt einzusacken drohten. Vibrierend vor Furcht griff ich nach dem Rohr, das vor meinem Gesicht schwebte, und nahm es an mich. Ich riss mich zusammen.
    »Sag mir nur eins, Alex. Warum muss es gerade dieses Lebensende sein? Habe ich nicht genauso ein Recht auf mein eigenes Ende, wie du?«
    Ich wollte ihn mit Worten schlagen, ihn weichmachen, ihn an seine eigene Philosophie erinnern.
    »Das Riesenrad, ja?« Er lachte auf einmal laut und irr und ich dachte, er würde gar nicht wieder aufhören zu lachen.
    »Wieso lachst du?«
    Er sah mich an, kicherte noch ein paar Mal, dann grinste er nur noch.
    »Weißt du«, sagte er, »Jens hätte dich jetzt sehen sollen.«
    »Jens?«
    »Ja, er hätte deine Angst jetzt sehen sollen, in deinen verlogenen schuldigen Augen. Du und das Riesenrad! Als wenn du das je vorgehabt hättest. Das passt doch gar nicht zu dir.«
    Er wies auf sein Kunstwerk hinter sich.
    »Das ist deine Bestimmung! So wollte er es. Er wollte, dass du dich genauso beschissen fühlst, wie er, dass du dich einmal ebenso trostlos verlassen fühlst und dich darunterlegst, um das alles zu vergessen.«
    »Du willst sagen, das war Jens' Plan?«
    Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
    »Das war unser Plan, Sarah. Jens und ich, wir waren eine Einheit! Nicht du und Jens! Auch, wenn er mit dir geschlafen hat. Du warst nur ein winziger Teil in seinem Leben! Dein freiwilliger Tod, dein Leib unter diesem Werk, das ist genau das, was seiner und meiner Komposition noch fehlt – unserer Komposition! Das wird alles in den Schatten stellen, was je im Verein verwirklicht wurde.«
    »Das glaube ich dir nicht. Jens war depressiv, er war ein Stalker, ja, aber so etwas kann er sich nicht gewünscht haben.«
    »Oh doch, das hat er!«
    »Das hat er nicht. Er hat mir einen Abschiedsbrief geschrieben.«
    »Mir auch, du erinnerst dich?«
    »Der Zettel, den ich euch brachte?«
    »Ja genau der, willst du ihn sehen?«
    Er kramte seine Brieftasche aus der Hosentasche und förderte den Zettel zutage, den ich damals nicht hatte lesen dürfen. Alex gab ihn mir. Es war genau so ein Stück Rechenpapier, wie das, auf dem Jens die letzten Zeilen für mich geschrieben hatte, nur sah es inzwischen noch zerknitterter aus.
    Ich faltete es auseinander. Auf dem Blatt standen nur zwei Sätze, in Jens' krakeliger kleiner Handschrift. Zwei Sätze nur, die so schockierend waren, dass es mich von innen zerriss und mich für Minuten lähmte.
    Das Miststück muss sterben! Gruß von Jens und Manuel.
    Meine Umgebung verschwand im Dunkeln …

    Ich bekam keine Luft. Es war stickig und roch nach Alex. Wo war ich?
    Ich riss die Augen auf! Alex umklammerte mich, er erdrückte mich fast, weil er mich im Schwitzkasten hielt. Angestrengt versuchte ich, tiefer zu atmen, aber ich sog nur meine eigene ausgeatmete Luft durch seinen Pullover wieder ein und die sättigte mich nicht. Ich wollte zappeln und dachte dann, je mehr ich mich bewegte, desto mehr Luft würde mir fehlen. Alex bemerkte wohl, dass ich aus der Ohnmacht erwacht war. Ließ er locker, weil ich mich nicht mehr bewegte? Oder wollte er nur mein Gesicht sehen?
    Wir lagen auf dem Scheunenboden und er beugte sich über mich. Über uns schwebte der schwere Kohleofen, der an dem Seil ganz leicht hin und her schwankte. Alex nahm meinen Kopf zwischen beide Hände, wie er es so oft getan hatte, und er lächelte mich an. Heute aber fühlten sich seine Hände wie ein Schraubstock an. Ich bäumte mich etwas auf.
    »Schscht«, zischte er leise. »Halt

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