Nottingham Castle, letzte Tuer links
Minuten kam Gwendolf herangeschlichen, einen abgewetzten Beutel mit
Verbandssachen in der Hand. Er nahm einen Tiegel heraus, der nicht besonders
sauber aussah, und rollte ein Stück schwarzen Faden von einer Spule.
Nottingham
holte aus und fegte die Utensilien mit dem Unterarm vom Tisch, sodass sie über
den Fußboden rollten. „Bist du von Sinnen? Willst du mich zusammenflicken wie
einen gesalzenen Schweinebauch?”
Gwendolf
konnte vielleicht die einfachen Soldaten verbinden, aber an ihm, dem mächtigen Sheriff
von Nottingham, würde er diesen Stümper ganz sicher nicht herumpfuschen lassen!
„Ich
will einen richtigen Arzt!”, befahl er den Wachen und zog die Weinkaraffe näher
zu sich heran. „Holt mir diesen Williams aus dem Dorf, und zwar sofort!”
Im
Haus der Williams`
Ein
ungestümes Klopfen an der Tür ließ Susannah zusammenfahren. Sie war gerade
dabei, Heilkräuter nach dem Rezept ihres Vaters zu mörsern, und hätte die
Mischung gerne noch fertiggestellt. Aber sie war es gewöhnt, zu jeder Tageszeit
oder auch nachts aus dem Haus zu laufen, wenn eine Niederkunft anstand. Sicher
wollte einer der Bauern aus der Umgebung sie holen, weil seine Frau in den
Wehen lag. Ohne sich etwas über ihr einfaches Leinenkleid überzuziehen, das sie
zum Arbeiten trug, öffnete sie die Tür einen Spalt.
Vor
ihr stand ein Soldat, bewaffnet, ein Stück neben ihm standen zwei Pferde. Auf
einem davon saß ein weiterer Mann in Uniform.
„Wir
benötigen den Arzt Williams, er soll sich umgehend beim Sheriff von Nottingham
einfinden.“
Susannah
wunderte sich über diesen überraschenden Besuch und über das Anliegen der
beiden. Der Sheriff hatte selbst Gefolgsleute, die sich um seine verletzten
Soldaten kümmerten. Ihrer Meinung nach verstanden die ihr Handwerk nicht
wirklich, sie hatte oft genug die eiternden oder schlecht verheilten Narben zu
Gesicht bekommen. Ihr Vater hatte sie in dieser Hinsicht viel besser
unterrichtet, auch wenn sie nach außen natürlich nicht als Heilerin arbeiten
konnte, schließlich war sie eine Frau. Aber vielleicht ging es hier um eine
Verletzung von jemand aus der Küche, eine Brandwunde bei einer Magd oder Ähnliches.
„Mein
Vater ist unterwegs auf einer längeren Reise, er kommt erst nächste Woche
zurück. Aber bei Frauensachen vertrete ich ihn manchmal. Was ist denn vorgefallen?“
Das
grobschlächtige Gesicht des Soldaten verschwand vom Türspalt und wandte sich offenbar
seinem Gefährten zu, der noch auf dem Pferd saß. Susannah konnte deutlich
hören, was die beiden besprachen.
„Das
ist doch diese Hebamme”, stellte er fest, „die können wir ihm auf gar keinen
Fall schicken.“
„Es
bleibt uns nichts anderes übrig“, antwortete eine zweite Stimme. „Du weißt
doch, was geschieht, wenn wir mit leeren Händen zurückkommen. Der Sheriff wird fuchtsteufelswild,
wenn sich jemand seinen Befehlen widersetzt! Er will, dass der Schnitt in
seinem Gesicht richtig versorgt wird, also bringen wir ihm jemanden.“
Susannah
schüttelte verständnislos den Kopf. Es ging also nur um eine Fleischwunde im
Gesicht? Und dafür holte man sie hier aus dem Dorf weg? Sie hatte bei Gott
etwas anderes zu tun. Bei Jolanda konnten jede Stunde die Wehen einsetzen, außerdem
hatte das Kind von Myra schlimmen Husten und brauchte die Tinktur, die sie
gerade zusammenbrauen wollte.
Susannah
beschloss, die beiden Wachen bei ihrer schwierigen Entscheidung ein wenig zu unterstützen.
Sie öffnete die Tür ganz und sprach die zwei Soldaten mit fester Stimme an.
„Ich
bin Hebamme und kein Feldarzt”, erklärte sie. „Sagt dem Sheriff, wenn er in den
nächsten Stunden ein Kind zur Welt bringt, kann er gerne mit meiner Hilfe
rechnen. Ansonsten brauchen mich die Frauen hier im Dorf nötiger!“
Entschlossen
warf sie die Haustür zu. Doch bevor diese im Türrahmen ankam, schob sich ein
schwerer Stiefel dazwischen. Einen Augenblick später spürte sie die Spitze
eines Schwertes an ihren Hals. Susannah schnappte nach Luft. Das kalte Metall
drückte drohend gegen ihre Haut. Ihr wurde schlagartig heiß und ihr Herz
hämmerte wild.
„Pack
deine Sachen zusammen und komm mit, wenn dir dein Leben etwas wert ist!“, zischte
der Soldat ihr zu, sein Gesicht so nah vor ihrem, dass sie seinen schlechten
Atem riechen konnte.
Sie
meinten es ernst, das war nun vollkommen klar.
Zwanzig
Minuten später saß sie mit gefesselten Händen auf ihrem Pferd, dessen Zügel
einer der Soldaten in der Hand hielt. Im
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