Nottingham Castle, letzte Tuer links
sie, „ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es wirklich befriedigend
ist, wenn die Frau nur wie ein Brett unter dem Mann liegt.“
Eine
Sekunde lang blickte er regungslos in ihr Gesicht.
Susannahs
Hals schnürte sich zusammen. Ihre Hände zitterten und ein eiskalter Schauer kroch
über ihren Rücken hinab. Er hatte schon Menschen für weniger freche Antworten
hinrichten lassen.
Dann
trat er einen Schritt zurück, warf seinen Kopf in den Nacken und lachte lauthals.
„Mädchen, du gefällst mir! Du willst mir also eine Lektion erteilen, wie ich
eine Frau zu nehmen habe?“
Sie
schluckte hart. Diese Unterredung lief in eine falsche Richtung, in eine ganz
falsche. Das wurde ihr nun deutlich bewusst.
Nottinghams
Lachen dröhnte noch für ein paar Augenblicke durch das Zimmer, doch dann wurde
er ernster. Gefährlich ernst.
Er
neigte den Kopf zur Seite und sah sie mit einem Ausdruck an, der ihr Angst
einjagte. Schlagartig bekam sie eine Gänsehaut am ganzen Leib.
„Wenn
ich mir das recht überlege”, sagte er weich, „ist das gar keine so schlechte
Idee. Ich werde mich in naher Zukunft mit Lady Marian vermählen. Da können ein
paar Lektionen mit einer wie dir, die sich in Frauendingen auskennt, sicher
nicht schaden, oder?“
Er
trat zur Tür und öffnete diese für sie, immer noch höhnisch grinsend.
„Heute
habe ich noch zu tun”, erklärte er. „Aber ich erwarte dich morgen Abend in
meinen Gemächern, hier im westlichen Flügel von Nottingham Castle, letzte Tür
links!“
2
Frauenhände Am Abend des nächsten Tages ritt Susannah alleine auf das Castle zu. Grauer
Nebel hatte sich vor den Mond geschoben und über den Zinnen der Burg türmten
sich finstere Wolken auf. Ein kalter Nordwind wirbelte in ihren langen Haaren
herum und rüttelte heftig an den Bäumen, die den Weg säumten. Selbst ihr Pferd
kaute unruhig am Gebiss und ließ sich nur widerwillig zum Trab antreiben, als
sie sich dem Gebäude näherten. Susannah legte eine Hand unter die Mähne, um das
Tier zu beruhigen. Aber der Wallach spürte ihren Gemütszustand und warf
aufgeregt seinen Kopf hin und her.
In
welch missliche Lage hatte sie sich da nur gebracht? Ihr verstorbener Mann hatte es ihr schon oft
prophezeit, dass sie sich irgendwann um Kopf und Kragen reden würde. Aber er
hatte stets gelacht dabei, denn es hatte ihm von Anfang an gefallen, dass sie
eine Frau war, die ihre Meinung sagte. „Schuld ist sowieso dein Vater”, hatte
Gideon oft gewitzelt, „der hat dich aufgezogen wie einen Jungen.”
Das stimmte.
Sie hatte sich von klein auf für
seine Arbeit interessiert und war oft mitgeritten zu seinen Krankenbesuchen.
Wenn ihr langweilig war, steckte sie die Nase in seine Aufzeichnungen und mit
der Zeit eignete sie sich ein großes Wissen in Heilkunde an. Das kam ihr auch später
als Hebamme zugute.
Sie war es seit Kindertagen
gewöhnt, selbstbewusst mit ihrem Vater fachliche Streitgespräche zu führen und
selbst dessen alte Freunde schätzten es mit der Zeit, dass sie mit am Tisch saß
und sich wie ein Mann an den hitzigen Unterhaltungen beteiligte.
Susannah hatte schon viele starke Kämpfer
aus dem Dorf gesehen, die recht kleinlaut wurden, wenn ihr Vater seinen
Lederbeutel auspackte und die Instrumente herrichtete. Normalerweise jagte ihr
kein Mann Angst ein. Aber dieser Nottingham? Das war keiner, der sich mit
leeren Drohungen abgab, bei Gott nicht. Nicht einmal bei Frauen kannte er
Nachsicht.
Sie sah das Gesicht der jungen Anne
vor sich. Anne, das fröhliche Ding, welches ganz in der Nähe aufgewachsen war
und oft so laut gelacht hatte, dass die Pferde scheuten. Schon als Kind hatte
sie stets gestrahlt und allen Menschen zugewunken. Nun war sie siebzehn und
arbeitete im Castle, wo sie die Holzböden
schrubbte und in der Küche half. Dann war ihr Herr über sie hergefallen. Hatte
sie gepackt und zu sich ins Bett geschleift. In diesem Moment war das Lächeln
aus Annes Gesicht gewichen und nicht mehr zurückgekehrt.
Susannah presste die Lippen
aufeinander. Verdammt, was sollte sie nur mit ihm anstellen?
Sie hoffte inständig, dass er das
von gestern nicht ernst gemeint hatte. Wer wusste schon, wie viel Wein er
vorher gebechert hatte. Inzwischen hatte er sich vielleicht schon eine andere
Frau in seine Gemächer geholt und sie längst vergessen. Das würden ihr die
Wachen dann sicher mitteilen und sie konnte erleichtert wieder nach Hause
reiten.
Sie schickte ein Stoßgebet zum
dunklen Himmel und trieb ihr Pferd an,
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