NOVA Science Fiction Magazin 20
Sicherheit nicht zu
kaufen gab, dann war es der Spectateur mit seinen riesigen Schlagzeilen.
Am
Ende des weitläufigen, völlig überladenen Raumes blickte zu Teufel-Walldorf
gelassen um sich, der komplette Grandseigneur.
Niemand
achtete auf ihn.
Er
verschwand durch eine verborgene Tür, von deren Existenz nur wenige Menschen
wussten; und keiner von ihnen war derzeit in Danzig. Mit wenigen Schritten
gelangte er in jenen Raum, in dem sich abends die Bodelschwinghsche
Gesellschaft einfinden würde, um über die nächsten Schritte zu beraten. Man
wollte dem Fortschritt einen gewaltigen Schub geben, unerhörte Neuheiten
einführen, die Contenance des Reiches erschüttern.
Teufel-Walldorf
kannte einige ihrer Pläne, andere ahnte er.
Heute
abend würden sich hier die gewitztesten Köpfe einfinden, die das deutsche
Reich, die französische Republik und die polnischen Wojewoden aufzutreiben
wussten. Selbst aus Russland würden seltsame Genies anwesend sein. Eine gute
Gelegenheit, um ordnend in die Angelegenheit einzugreifen. Eine Zusammenkunft
wie ein Wendepunkt, der über die Zukunft mitentscheiden konnte. Ein Nexus.
Der
Vicomte öffnete sein Köfferchen, indem er seinen Daumen auf einen versteckt
angebrachten Fingerabdruckleser drückte, das einzige derartige Gerät auf dem
ganzen Planeten. In dem Köfferchen befand sich neben anderen Dingen ein in
graues Leinen eingeschlagenes Päckchen, das zu Teufel-Walldorf sehr vorsichtig
heraushob. Er schloss das Köfferchen und deponierte die Höllenmaschine an genau
dem vorgesehenen Ort. Die Detonation würde alle Türen auf dieser Etage aus den
Angeln reißen und einen Feuersturm aus den Fenstern von drei Zimmern treiben.
Verheerung, Desaster, Zerstörung. Die Elite von drei Staaten hatte keine
Chance. Leider die vielen wertvollen Bücher auch nicht.
Auf
dem Rückweg bog der Vicomte ab und betrat den verschwenderisch ausgestatteten
Waschraum. In diskreten Nischen befanden sich die Plätze, zu denen sich selbst
ein König allein begibt. Er kontrollierte sicherheitshalber ein letztes Mal das
Privé, in dem er als einziger der ganzen Gesellschaft das Attentat zu überleben
gedachte. Die Feuerwolke würde an dieser Tür Halt machen. Sie war dick, schwer
und für ein stilles Örtchen völlig überdimensioniert. Mooreiche, um Himmels
willen, ein Holz, das Jahrhunderte Zeit gehabt hatte, hart und immer härter zu
werden.
Zu
Teufel-Walldorf nickte zufrieden. Seine Berechnungen waren wie immer perfekt.
Er schloss die tresorartige Klotür, überprüfte in den deckenhohen
Kristallspiegeln sein Erscheinungsbild und stellte zufrieden fest, dass seine
Garderobe unauffällig und geschmackvoll mit seinem Aktenköfferchen harmonierte.
Als
er durch den prachtvollen Laden nach draußen schlenderte, kaufte er aus einer
Laune heraus einen unbeachteten Erstdruck von Konrad Zuses Plankalkül aus den Fünfzigerjahren. Noch so ein Genie, dachte er, dem man leider die Tour
vermasseln musste. Schade. Aber es musste sein.
E.
Danzig, 1. März 2006: Hinter den Intarsien
Cyrus,
der Schah von Persien, geruhte ein paar aufmüpfige Religionsführer zu
begnadigen, nachdem er ihre Familien hatte erschießen lassen. In Afrika
erwiesen sich die Gerüchte um eine neue Goldmine als stark übertrieben, und der
Wert der betreffenden Kolonie hatte sich flugs halbiert. In Mittelamerika hatte
irgendein völlig unbekannter Staat den Botschafter der Vereinigten Staaten
hinausgeworfen, nachdem eine niederträchtige Militäroperation aufgeflogen war.
Soweit
die Welt. Und Europa?
Die
Kaschuben waren weiterhin aufsässig, und der Starrsinn der Wojewoden half der
königlich-polnischen Macht nicht sonderlich weiter. Das deutsche Reich freute
sich insgeheim der Zwistigkeiten im Nachbarland, während offiziell die
französischen Verbündeten zugunsten Warschaus intervenierten. Auf dem Balkan
hatten russische Truppen irgendwelche verfeindeten Volksstämme zur Ruhe
gebracht, mit reichlich Schießpulver, so wie sie es üblicherweise taten.
„Alles
wie immer”, sagte Aaron von Hofstaetter. Er warf die raschelnden Seiten des Spectateurs beiseite und schielte nach der Aktentasche, die in einem üppig gepolsterten
Fauteuil nahe dem Kaminfeuer ruhte. Franz Vicomte zu Teufel-Walldorf hatte sein
aufwendig verziertes Diplomatenköfferchen dort deponiert, ehe er zu dem Empfang
im Danziger Königshof entschwebt war, wie immer à la mode, geschniegelt und
ausstaffiert, als würde er zu einem Defilée in Paris
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