NOVA Science Fiction Magazin 20
erschienen. Neue,
womöglich revolutionäre Technologie. Heim ins Reich damit. Aber sie zu
zerstören? Was wäre damit gewonnen?
„Wer
auch immer den Zeppelin in die Luft gejagt hat”, redete Pedro von Ehrenberg
weiter, „muss in Danzig gewesen sein. Die Höllenmaschine ist zweifelsfrei in
einem Frachtabteil gewesen, in dem ausschließlich Sendungen für die Freistadt
untergebracht waren, verzollt und verplombt.”
Aaron
von Hofstaetter schüttelte den Kopf, und sein Blick folgte dem nächsten
Luftschiff, das bedenklich tief über das Nachbargrundstück hinwegbrummte.
„Da
wäre es also möglich, dass der Attentäter mit mir gemeinsam in Danzig auf dem
Flugfeld gewesen ist.”
„Das
wäre möglich.”
Beide
dachten darüber nach, während sie eine Weile die Leichtmetall-Zigarren
beobachteten, die um die besten Plätze auf dem Flugfeld kämpften. Der
Termindruck der Luftschiffer musste enorm sein, wenn man die riskanten Manöver
am Himmel über Itzehoe richtig deutete.
D.
Danzig, 28. Februar 2006: Auslieferung Adresse Königsstraße
Franz
Vicomte zu Teufel-Walldorf, Directeur der NIXDORF & SIEMENS
ELECTRICITÄTS-ACTIENSOCIETÉ, betrat das von Bodelschwinghsche
Delicatessengeschäft in der Danziger Königsstraße durch den Haupteingang. Auf
dem blank gewienerten Marmorboden waren direkt am Einlass dicke weiche Teppiche
ausgelegt, um jedem Neuankömmling den Straßenschmutz von den Schuhen zu
streifen. In diesen Genuss kam nur jemand, der die muskulösen Grandseigneurs
vor dem Portal mit seinem Erscheinungsbild hatte davon überzeugen können, dass
seine Person und seine Schuhe dieser Ehre würdig waren.
Die
Teppiche wurden jede Stunde ausgetauscht.
Der
Vicomte schlenderte ein wenig auf dem flauschigen Bodenbelag herum und musterte
die deckenhohen Regale zur Rechten, in denen erlesene Singlemalt-Whiskeys,
italienische Grappa-Spezialitäten und sündhaft teure französische Cognacs in
Geschenkverpackungen thronten. Zur Linken waren die Regale mit
tintenfischgefärbter Pasta, Argan-Öl-Phiolen, russischem Beluga-Kaviar und
persischem Safran beladen. Als der Vicomte tiefer in den Gourmet-Tempel hinein
schritt, wurde er von der Seite angesprochen. Ob er bei seinem Einkauf beraten
zu werden wünsche? Zufrieden registrierte zu Teufel-Walldorf, dass sich seine
Einkäufe in Genève und Marseille gelohnt hatten. Man sprach ihn auf Französisch
an, der in Danzig gleich nach Deutsch und vor Polnisch meistgenutzten Sprache.
Offenbar war er elegant genug gekleidet. Das Diplomatenköfferchen mit den
Elfenbeinintarsien wolle man gern für ihn aufbewahren, damit er die Hände frei
habe für seinen Rundgang. Er lehnte höflich, aber bestimmt ab und schritt die
freischwebende Treppe in den ersten Stock hinauf.
Damit
verließ Teufel-Walldorf das Reich auserlesener Spezereien und goldbedampfter
Absinthflaschen, um sich oben zwischen Folianten und kostbaren Drucken
wiederzufinden. Von Bodelschwingh frönte hier seiner zweiten Obsession, der
Literatur und den seltenen Büchern.
Der
Vicomte schritt vollgestopfte Regale entlang, von denen seltene Karten und
Stadtansichten herabhingen. Eine mit Blattgold belegte Weltprojektion zeigte
die Länder – geographische Realitäten ignorierend – in jener Größe, die ihrer
Wichtigkeit in der Weltpolitik entsprach. Europa mit den drei Elefanten
Frankreich, Deutschland und Russland überstrahlte alles. England und Japan
versuchten mehr schlecht als recht, mitzuhalten, während die Neue Welt mit den
hoffärtigen Vereinigten Staaten nur eine Rolle am Katzentisch spielte. Sehr
schön, dachte zu Teufel-Walldorf und ging weiter, da hat sich des alten
Kanzlers Hartnäckigkeit gelohnt. Achtzehn Genueser und Rapallo-Verträge in
zwanzig Jahren, und am Ende sprach er beinah besser Französisch als Briand.
Hier
oben gab es keine Verkäufer, die den Kunden nach Wünschen befragten. In den
Regalen standen Erstausgaben, Inkunabeln und Prachtbände mit alten Stichen,
direkt neben Sammelbänden mit Photographien in der neuesten
Sechzehn-Farben-Drucktechnik, der man nachsagte, sie liefere Abbilder, die um
vieles lebendiger und beeindruckender wären als die Wirklichkeit. Dazwischen
sah der Vicomte Romane, Lexika und Stundenbücher. Wer hier etwas finden wollte,
verfügte sich hinter die Vorhänge am Eingang und fragte die Bodelschwinghschen Connaisseurs ,
die sich auf unergründliche Weise in diesem Wunschtraum jedes Büchernarren
zurechtfanden. Wenn es irgendetwas Gedrucktes hier mit
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