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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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in zehn, zwanzig Jahren. Andere Leute mussten erst einmal solche
Anzeigeflächen erfinden, solche Tastaturen und solche atmenden Lichter. Die
Zukunft würde großartig sein …
    Aber
an diesem Ding war das alles schon da. Aaron von Hofstaetter ließ seine Finger
wie in Trance über die Tasten gleiten. Er würde nicht versuchen, ein Kennwort
einzugeben, was auch immer das sein mochte. Dies hier überstieg bei weitem
alles, was er sich hatte vorstellen können. Es war nicht von dieser Welt.
    Er
schloss sehr langsam den Deckel und hörte zu, wie jenes leise sirrende Etwas im
Innern des Gerätes zur Ruhe kam, eine Mechanik, die er nur ansatzweise begriff.
Ein paar Minuten saß er da, auf dem Schoß dieses Ding mit dem atmenden
Lämpchen, und versuchte, seine Gedanken in den Griff zu bekommen. Ohne Erfolg.
Als er das Gerät umdrehte, las er, was dort stand. Die Buchstaben kannte er.
Was mochte Apple, Inc . nur bedeuten? Und von einem Ort namens Cupertino
hatte er nie zuvor gehört. California allerdings war ihm ein Begriff.
Irgendwo in der Neuen Welt war das. In einer Gegend, von der man einen guten,
fruchtigen Wein erwarten konnte oder ein herzhaftes Dosenfleisch, jedoch kein
hirnsträubendes Stück Technologie wie das hier. NIXDORF oder sonst jemand waren
ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus. Oder in California geschahen neuerdings
Wunder. Oder der directeur war ein Ding aus einer anderen Welt.
    Von
Hofstaetter erschauerte.
    Er
hatte kürzlich einen Band ausländischer histoires extraordinaires konsumiert, alle vollkommen verrückt. Zeug der grüblerischen Sorte … wenn die
Römer nicht anno 09 von den Germanen massakriert worden wären, wenn Napoleon
bei Waterloo gewonnen hätte oder wenn Rathenau erschossen worden wäre, ehe er
Kanzler werden konnte. Insbesondere die Vision über den ermordeten
Reichskanzler hatte von Hofstaetter tief schockiert, all diese hasserfüllten
Phantasien über einen neuen Krieg mit Frankreich, einen Weltenbrand und die
Rückstufung des deutschen Reiches zu einem ebenso friedlichen wie
bedeutungslosen Agrarland, dessen Bevölkerung vor lauter Gräberpflege nicht
mehr zur Besinnung kommen konnte.
    Unendlich
langsam, sehr vorsichtig, steckte er das weißschimmernde Ding – es atmete
lautlos mit seinem fahlen Licht – in die Aktentasche zurück und schloss sie.
Fasziniert beobachtete Aaron von Hofstaetter, wie die Klappe über dem
Daumenerkennungsfenster zuschnappte.
    Er
sollte mehr über Franz Vicomte zu Teufel-Walldorf in Erfahrung bringen. Sehr
viel mehr.
     
     
     
    F.
Dresden, 14. April 2006: Auf der falschen Seite der Falle
     
    Die
große Villa auf dem Weißen Hirsch blickte über die Elbe hinüber auf die
Silhouette der alten Stadt, deren Kirchtürme nur undeutlich über dem Dunst zu
sehen waren, der von den Elbauen aufstieg. Aaron Chevalier von Hofstaetter
hatte angesichts der kühlen Witterung beizeiten die Innenheizung seines
Jacketts eingeschaltet und umrundete zusammen mit Herrn Kowalski ein weiteres
Mal das Gebäude. Herr Kowalski seinerseits war sehr geduldig, was kein Wunder
war angesichts des Stundensatzes, den das Danziger Büro für seine Dienste
berechnete.
    „Die
großen Flügeltüren zum Garten hinaus sind verstärkt worden“, sagte er und
schaute gelangweilt in die hereinbrechende Dämmerung über der Stadt, die hinter
dem Garten undeutlich wie ein impressionistisches Gemälde ausgebreitet lag. Es
war kein einziger Zeppelin in der Luft. Die Reichslufthansa durfte sich über
der alten Stadt nicht zeigen, um das schöne Landschaftsbild nicht zu stören,
und musste große Umwege in Kauf nehmen, um nach Klotzsche zu gelangen.
    „Das
Glas ist kugelsicher“, erklärte Herr Kowalski. „Ohne Werkzeug und viel Zeit
kann man es nicht durchdringen.“ Sein Deutsch war makellos, allerdings mitunter
zu korrekt, zu bemüht, um jede Spur eines polnischen Akzents zu vermeiden.
„Die Seitenausgänge werden bewacht. Unsere Leute dort tragen die Livreen des
Besitzers und geben sich als seine Bediensteten aus. Der Haupteingang liegt im
Scheinwerferlicht und wird ganz offen von mehreren Bewaffneten abgesichert.“
    „Gut“,
sagte Aaron und betrachtete das Haus, ein ganz normales prächtiges Anwesen aus
der späten Kaiserzeit, wie sie auf dem Weißen Hirsch nicht ungewöhnlich waren.
Man sah ihm nicht an, dass es in eine Festung verwandelt worden war.
    Herr
Kowalski räusperte sich. „Ich muss gestehen, dass ich den Sinn all dieser
Vorkehrungen nicht begreife“, sagte er. „Wenn Sie

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