NOVA Science Fiction Magazin 20
Damms
lag. „Ach“, dachte ich. „Da will vielleicht noch einer was von mir. Vielleicht
auch Feuilleton mit Schuss.“ Auf dem Rückweg ins Verlagshaus dachte ich darüber
nach, wie ich diese kleine Episode in meinen Artikel einbauen konnte. Meine
Hose war jetzt schmutzig.
Aber
mir fiel immer noch nichts Gescheites ein. Ich dachte kurz daran, im Internet
nach den Filmen mit Katharina und Sebastian zu forschen, deren Titel ich
seltsamerweise aufs Wort behalten hatte, aber kurz vor dem Abschicken des
Suchbefehls fiel ich mir in den Arm: Das fehlte noch, dass man mich
beschuldigte, in der Arbeitszeit Pornos zu konsumieren. Becker grinste sowieso
schon jedes Mal, wenn er mich ansah. Auch andere grinsten. Fing so nicht
manchmal Mobbing an? So konnte doch keiner arbeiten. Ich packte meinen Kram
zusammen.
„Hör
mal“, sagte Werner, als er mich an der Kaffeemaschine auf dem Flur abfing.
„Wenn du morgen krank bist, und wenn du bis Freitag krank bist, das ist mir
egal. Aber ich brauche diesen Artikel.“
„Ich
weiß“, sagte ich und ging nach Hause.
Ich
könnte jetzt erzählen, wie ich mich quälte, aber das bringt nichts. Ich meldete
mich krank. Dann machte ich dies und jenes, ich trank, rauchte, surfte im
Internet, traf mich mit Freunden, aber schrieb den Artikel nicht. Mir fiel
nichts ein, und je länger mir nichts einfiel, desto weniger fiel mir überhaupt
ein, und am Ende glaubte ich, den Artikel weder so noch so schreiben zu können,
eher überhaupt nicht.
Bis
zum Donnerstagabend sah ich mir selber beim Zeitvertrödeln zu und dann setzte
ich mich in der Nacht zum Freitag hin und schrieb meinen Artikel. Er wurde gut.
Gehört mit zum Besten, was ich je gemacht habe. Rein technisch gesehen. Er war
genau das, was man von mir erwartet hatte: Feuilleton mit Schuss. In manchen
Nebensätzen war er noch mehr, noch etwas anderes, aber das merkten nur wenige,
und so war alles in Butter. Werner klopfte mir tatsächlich auf die Schulter und
sagte: „Guter Junge. Wusste ich doch, dass du es wieder bringst.“ Ich wurde zu
verschiedenen Talkshows eingeladen, als „Experte“. Den Schwachsinn, der dort
gelabert wurde, habe ich jetzt auf Video. Bischof Miersch gratulierte mir auch
für die „faire und handwerklich sehr gelungene Darstellung“ seiner
„Glaubensgemeinschaft“, und zwar per Telegramm, und Katharina schickte mir eine
Mail, in der sie sich freute, dass alles so gut geworden war. Es gab sogar
Gerüchte, dass mein Dossier für verschiedene Publizistik-Preise nominiert
werden sollte. Sie erwiesen sich zwar alle als falsch, aber Gerüchte sind unter
Journalisten oft so gut wie harte Fakten. Mein Marktwert stieg. Hätte mich
alles freuen sollen. Machte mich aber ratlos.
Die
Sache war eigentlich ganz einfach. Die Kopie meines letzten Steuerbescheids
hatte ich mitgebracht, meine Bankverbindung auch, und die notwendigen ärztlichen
und psychologischen Atteste konnte ich nachreichen. Erstaunlich unbürokratisch
alles in allem. Ich hatte erwartet, irgendwelche
Verschwiegenheitsvereinbarungen unterschreiben zu müssen, aber nichts
dergleichen.
„Und
es gibt keine Probezeit? Oder einen Kandidatenstatus?“
„Probezeit?“,
fragte mich die Sekretärin. „Bei uns nicht.“
Ich
stand auf. Alles schien geregelt.
„Ach
ja“, sagte die Sekretärin, „ich soll Ihnen noch das hier von seiner Exzellenz
geben.“ Sie hielt mir ein Briefkuvert entgegen. Auf den ersten Blick fiel auf,
dass es kleiner war als gewöhnlich, es sah fast parfümiert aus. Ich steckte es
ein, bedankte mich, wünschte der Sekretärin einen guten Tag.
Der
Brief war nicht parfümiert. Die Handschrift war klar lesbar.
„Ich
freue mich, dass Sie zu uns gefunden haben. Ehrlich gesagt hatte ich nach dem
Artikel bereits damit gerechnet. Seien Sie uns willkommen, die Kirche kann
Mitglieder wie Sie gebrauchen.“
Ein
Opernglas habe ich auch schon.
Copyright © 2012 by Marcus
Hammerschmitt
D enke mit Disziplin, achte die Regeln und tu, was
getan werden muss.
Dumpf
hallen meine Schritte. Sie erinnern mich im Takt eines Marschierreims an die
Worte, mit denen mein Vater mich Abend für Abend schlafen schickte. Ich spucke
aus.
Zitternd
umklammere ich den Transorbit. Fleisch trieft von der Metallspitze, Hautfetzen
und Blut kleben unter meinen Nägeln. Meine Gedanken rasen, die Bisswunde am
Bizeps brennt wie in Salzsäure getaucht, doch meine Sorge um mich selbst hält
sich in Grenzen. Niemand sonst sollte
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