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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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Verwerfliches sein, ganz im Gegenteil, aber ich merke da etwas Subtiles,
irgendeinen Trick, eine Kiste, die ich nicht benennen kann. Und du weißt, dass
ich so was nicht ab kann.“
    Werner
sah mich zweifelnd an.
    „Das
klingt ja übel. Leider kann ich dir nicht mehr Zeit geben. Die Konkurrenz
versucht auch, an die Brüder ranzukommen. Der Platz für die Wochenendausgabe
ist für dich reserviert, ich brauch von dir am Freitagabend die 20.000 Zeichen.
Ist Fakt.“
    „Ja“,
sagte ich. „Ist Fakt wie immer. Dann setz ich mich mal ran.“
    „Guter
Junge“, sagte Werner.
     
     
    Aber
ich setzte mich gar nicht ran. Ich pupste vor meinem Redaktionscomputer herum,
dass es nur so eine Art hatte. Ich sah mir die Bilder an, ich ordnete sie
alphabetisch, ich machte Notizen und löschte sie wieder. Astreine
Arbeitssimulation. Hätte ich genau so gut bleiben lassen können, wäre
wahrscheinlich besser gewesen wenn, das hätte meinen Kopf frei gehalten.
     
     
    In
Wirklichkeit wusste ich genau, was los war. Ein guter Journalist hat vor dem
Recherchieren eine glasklare Meinung von einer Angelegenheit, die er beim Schreiben
des Texts über diese Angelegenheit der Realität so widerspruchsfrei wie möglich
anpasst. Gute Journalisten glauben nicht an diesen ganzen Quatsch à la „Suchen,
nicht Finden“, schon gar nicht glauben sie an diese ganze jämmerliche
Ausgewogenheitsmythologie. Gute Journalisten sind vor allem meinungsstark und
geistesgegenwärtig, darin gleichen sie guten Demagogen.
    Und
mein Problem war jetzt: Ich hatte keine Meinung gehabt, ich war zu nachlässig
für ein Vorurteil gewesen, und jetzt rächte sich das. In Ermangelung einer
Meinung, mit der ich meinen Bericht hätte würzen können, wäre ja immer noch
eine bloße sachliche Abschilderung der Realität möglich gewesen, einfach eine
Nacherzählung, wie damals in der Schule – der Erfahrung nach ließ sich aus so
was zwar kein guter, aber doch immerhin ein lesbarer Artikel machen.
    Das
Problem: Ich kannte hier die Realität nicht. Genau genommen wusste ich
buchstäblich nicht, was ich gesehen hatte. Obwohl die Erinnerungen ja noch
relativ frisch waren, kamen sie mir dennoch seltsam verwaschen vor, sie wirkten
auf mich so, wie die Fotos wohl auf Werner gewirkt hatten, nichts sagend
nämlich. Was war da eigentlich los gewesen? Und was sollte man darüber
schreiben? Wie immer, wenn ich bei einer Sache überhaupt nicht mehr weiter
weiß, ging ich eine Runde spazieren.
     
     
    Das
Verlagshaus liegt nicht weit vom Fluss entfernt, und am Fluss, so trüb er auch
meistens ist, komme ich innerlich wieder in Bewegung, werde ich wieder klar.
Ich warf ein paar Steine ins Wasser. Ich sah den Lastkähnen zu. Bald glaubte
ich immerhin das Problem eingegrenzt zu haben. Das Interesse des Publikums an
der Church of Porn war glasklar ein pornographisches. Die Leute wollten den
Fleischsalat, irgendwelche Orgien, den feuchten Traum, die scharfen Stellen, massig
Remmidemmi.
    Aber
ich war ernüchtert worden. Dieser öffentliche Fick auf dem Altar, die komische
Offenheit von Bischof Miersch, die Disziplin, mit der die Messe abgelaufen war,
die kühle Souveränität von Katharina und Sebastian bei diesem Mittagessen – all
das hatte bei mir jede Erregung schon im Keim erstickt. Der Witz an der Church
of Porn war, dass sie in Wirklichkeit frei von Geheimnis und Verruchtheit war.
Und das bedeutete für mich, dass ich den Artikel nicht schreiben konnte, den
Werner und das Publikum von mir erwarteten: ein heiter besinnliches
Porno-Kabinettstückchen mit erheblichem Unterhaltungswert, das die Leute genug
unterhielt, um interessant zu sein, und gebildet genug war, damit sie sich
selber nicht beim Schlüssellochgucken erwischt fühlen mussten. Was ich bieten
konnte, war die lahme Analyse einer smarten Kunstreligion. Aber man verlangte
von mir Feuilleton mit Schuss.
     
     
    So
in Gedanken spazierte ich am Fluss entlang, als ich Katharina sah. Keine
zwanzig Meter von mir entfernt stand sie auf der Uferböschung. Ihr dunkler
Mantel war nicht geschlossen, um den Hals trug sie einen bunten Schal, sie
wirkte völlig gelassen, sie sah auf mich herab. Vor Überraschung blieb ich
stehen. Dann rief ich: „He!“ Während ich mich die Uferböschung hinaufkämpfte,
was in dem feuchten, seit längerer Zeit nicht gemähten Gras schwierig war,
drehte sie sich um, und als ich schließlich oben war, sah ich gerade noch einen
dunklen Wagen von dem Parkplatz wegkurven, der auf der anderen Seite des

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