Nova
ihn von seiner Frau. Fünf Zentimeter durchsichtigen, superfesten, elastischen und molekularstabilisierten Glases – undurchdringlich für beide.
Lilia ließ von der Wand ab, sah sich um, blickte auf den Armbandinfo. Sie sagte etwas, er verstand sie nicht, da zeigte sie ihm durch das Glas die Temperaturangabe.
35 Grad las er ab, verglich mit seinen Werten und stellte eine Differenz von 15 Grad fest. Was geschah dort drüben bei Lilia?
Sie öffnete die Magnetleiste ihrer Kombination; so tief, daß die Ansätze ihrer Brüste sichtbar wurden. Auf ihrer Stirn erschienen Schweißperlen. Es erschreckte ihn. Ihre Augen blickten ängstlich, ihre kleinen Fäuste klopften wieder an die Trennwand.
In seinem Kopf jagten sich die Gedanken. Er mußte sie dort sofort herausholen. Eine Rückfrage in der Zentrale erwies sich als Fehlschlag, er kam nicht durch.
Inzwischen mußte die Wärme im anderen Teil weiter gestiegen sein, denn auch bei ihm machte sich ein leichter Temperaturanstieg bemerkbar.
Emo sah voller Schrecken, wie sich die Blätter der wertvollen Corvila Antares zusammenrollten und abfielen. Wieviel Mühe hatten sie beide gehabt, das empfindliche Gewächs in der fremden Atmosphäre zu stabilisieren.
Lilia schrie auf. Ihr Gesicht, von Furcht verzerrt, wurde rot.
Jetzt ergriff die Angst auch Emo; nicht um sich, sondern um seine Frau. Er vergaß alles andere, wollte ihr mit der Inbrunst seiner Liebe und Sorge helfen, die orkanartig seine Seele überfluteten. Aber er wußte nicht, wie. Hilflos und verloren stand er vor der Wand.
Was geschah dort nur? Woher kam die unvorstellbare Hitze? Am ganzen Körper bebend, blickte er durch das Glas.
Lilia ließ von der Trennwand ab und taumelte durch den Raum. Sie griff an die Wände, suchte, fand nichts, kehrte zurück. Tränen rannen über ihr Gesicht.
»Hilf mir, Emo«, sagte ihr Mund. »Bitte, hilf mir doch.«
Aber Emo konnte nicht helfen.
Sie sank zusammen, riß ihre Kombination auf und kratzte wie ein Tier mit den Fingern am Glas. Gequält blickte sie zu ihm auf; unsagbarer Schmerz und Trauer sprachen aus ihren Augen, zugleich zärtliche Liebe und Treue; wenn auch nur für Bruchteile von Sekunden.
Ihre Haare ringelten sich zusammen. Zuckend wälzte sie sich am Boden, die Hände an den Hals geklammert.
Sie erstickt, dachte Emo voller Entsetzen, sie verbrennt. O Gott, hilf mir, sie darf nicht so grausam zugrunde gehen, laß sie doch leben, helft ihr! O bitte, helft ihr!
In panischer Ohnmacht rief er ihren Namen, die grenzenlose Verzweiflung trieb ihm Tränen übers Gesicht. Vor ihm tat sich ein Abgrund auf, er schrie hemmungslos.
Rasend nahm er Anlauf und warf sich wieder und wieder gegen die Wand, ohne den Schmerz zu verspüren. Aber Lilia verbrannte.
Sein halbes Leben, seine Stärke, sein Ziel, seine Wünsche verbrannten.
Ihre Haut bildete Blasen, die sich hoben und aufrissen. Überall Flammen, die sich ausbreiteten.
Emo sank zusammen, tobte, schluchzte, schrie. Fünf Zentimeter vor sich sah er den geliebten Menschen verkohlen. Der Wahnsinn raubte ihm den Verstand. Er sah und hörte nichts mehr.
Übergangslos brach er zusammen. Gas hatte seine Körperfunktionen gelähmt.
Zaatar
Als ich ihn wiedersah, erkannte ich ihn anfangs nicht.
Er hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem Mann, dessen Bild sich in meiner Erinnerung versteckt hatte. Er sah abgehärmt aus, seine Wangen waren eingefallen, und von dem ehemals vollen, dichten Haar waren nur noch ein paar dünne Strähnen übriggeblieben.
Erst als wir uns anstarrten, überfiel mich ein Schimmer unsicheren Erkennens. Hastig kramte ich in meinem schlechten Gedächtnis, verglich, sortierte aus. In meinem Alter ist das nicht weiter verwunderlich, daß ich ein Weilchen benötigte, bevor die Klappe fiel: der stechende, eindringliche Blick und das zu groß geratene linke Ohr.
Ja natürlich, das war Zaatar, ein Sonderling, den ich einmal im Kreis der Universitätsstudenten kennengelernt, bald darauf aber aus den Augen verloren und schließlich vergessen hatte.
Ich versuchte ein unbestimmtes Grinsen, von dem man nicht ablesen sollte, was es bedeutete. Offensichtlich erging es Zaatar ebenso; auch er machte keinen glücklichen Eindruck.
Aber dann sah ich, wie sich sein Gesicht aufhellte. Abrupt stand er auf, nahm sein Glas und kam in der für ihn typischen Schräglage auf mich zu.
»Guten Tag, Professor O’Hyra.« Es klang höflich und anständig, was ich eigentlich nicht von ihm erwartet hatte. Weiß der Teufel, warum nicht.
Ich lud ihn
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