November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
sagt’s auch.« »Na dann wird’s wohl stimmen.« »Mehr haben wir nicht gewollt, das sagen sie durch die Bank.« »Und was sagst du?« »Ist nicht so unvernünftig.« »Sagst du, Jörg. Und was machst du mit den Franzosen? Wir wollen den Sozialismus, Revolution. Hast du doch in Wilhelmshaven gesehn.«
Jörg dachte nach: »Wir wollten nicht gegen die Engländer rausfahren. Das haben wir gemacht. Und dann wollten wir nach Hause.« »So. Jörg, jetzt kriegen wir uns auch in den Haaren. Du läßt dir was einreden von deinen Leuten. Wir wollen die Revolution, und alles soll runter. Damit Ordnung in die Welt kommt.« »Hab’ ich zu Hause auch gesagt. Aber sie bleiben dabei.« »Dann laß doch die Ochsen. Als ob’s auf die ankommt, in Schiltigheim. Denkst du, mein Alter redet anders? Und mein Bruder? Ho! Kommt nicht darauf an.«
Darauf waren sie still. Jörg stand kleinlaut da. Und richtig fing er nach einer Weile wieder an: »Ich kann mir eigentlich nicht denken, wie das mit dem Sozialismus ist. Ob den die französischen Soldaten auch wollen.« »Sofort. Auf Anhieb. Laß die zwei Wochen hier sein, dann geht’s bei denen los und über ganz Frankreich weg.« »Die Offiziere runter?« »Genau wie bei uns. Und wer nicht will, ab mit dem.«
Lange Pause. Jörg: »Arbeitet man im Sozialismus?« »Weniger als jetzt. Kannst dir ausrechnen. Gibt kein Heer und keine Marine, und infolgedessen sind mehr Leute da, und da kommt auf dich weniger Arbeit. Und dann all die Reichen.« »Die müssen zuerst dran.« »Natürlich. Die haben sich lange genug ausgeruht. Die werden wir zwiebeln. Die Bankiers und Kommerzienräte, die dicken Bäuche. Stell dir vor.« »Großartig. Die Frauen auch.« »Von den Kommerzienräten alle, auch die Fräuleins. Meine Schwester arbeitet doch auch, deine Mutter doch auch.« »Natürlich.« »Also.« »Und was verdient man?« »Mehr wie heute. Alles wird verteilt. Wir lassen uns nicht mehr ausbeuten. Der Gewinn geht an den Staat. Der verteilt ihn. Dann futterst du nicht mehr aus der Gulaschkanone, und der Herr Direktor ißt fünf Gänge im Restaurant und hat noch ein Fräulein bei sich. Ist alles gleich.« »Das Fräulein auch?« »Versteht sich, Jörg (sie strahlten beide), so schön wie der Kommerzienrat machen wir’s noch lange.«
Sie wiegten sich eine Weile in angenehmen Gedanken. Jörg: »Ist Marxismus auch Sozialismus?« »Alles ein und dasselbe. Die einen sagen so, die andern so. Der Marxismus steht in den Büchern. Davon brauchen wir nichts zu wissen, wie man verteilt, welchen Posten jeder kriegt und so weiter.«
Jörg stand staunend da: »Dann versteh’ ich wirklich nicht, warum man das nicht macht.« Baptist gab ihm einen Stoß: »Da siehst du’s, Junge. Nun merkst du’s. Jetzt geht dir ein Licht auf.« Sie steckten sich neue Zigaretten an.
Da wurde im Haus Alarm geschlagen, der große Saal entleerte sich, alles stürzte in die untern Räume, wo die Maschinengewehre und Handwaffen lagerten. Die 17. Reservedivision war eingezogen, Offiziere führten sie mit Achselstücken, Kokarden und Degen, die Mannschaft folgte in strenger Disziplin.
Die Stadt merkte wenig von der Gefahr, die heraufzog. Es wurde Nachmittag, Nacht. Das Ringen der Offiziere und der Revolutionäre um die Mannschaft begann. Sonntag früh, es war der Siebzehnte, hatten die Matrosen und Soldaten gesiegt. Die 17. Reservedivison entwaffnete ihre Offiziere und riß ihnen Achselstücke und Kokarden ab. Die Revolution erwies ihre Macht, ein Sieg wurde errungen. Aber wozu wurde er benutzt? O Elend! Man stellte Matrosen und Soldaten zusammen. Einträchtig versahen dann Matrosen und Mannschaften der meuternden Division mit rotweißen Armbinden den Sicherheitsdienst an allen Punkten der Stadt – für die Bürger.
Noch fluteten ohne Unterlaß neue Truppen in losen Gruppen und geschlossen durch Straßburg zur Kehler Brücke. Die Patrouillen wachten, daß man sie nicht durch Herausstecken der Trikolore provozierte.
Es wurde aber in Straßburg nach diesem Triumph über die 17. Reservedivision ein ganz trüber Sonntag für die Revolution. Für den Mittag hatte der Zentralrat acht große Versammlungen anberaumt mit der Tagesordnung Weltkrieg, Revolution, Sozialismus. Soldaten und die ganze Bevölkerung von Straßburg und Umgebung waren eingeladen. Sie sollten diese Versammlungen zu einer machtvollen Kundgebung für die gute Sache des Volkes gestalten. Plakate waren an Mauern und Säulen angeschlagen, ihr Rot leuchtete weit:
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