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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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General Gough fast vernichtet, die 3. im Norden nur noch Schlacke. Freilich die 17. deutsche Armee kam bei Arras nicht weiter und blieb im Grabengewirr stecken. Eine fünfzehn Kilometer breite Lücke bei Montdidier klaffte zwischen dem französischen und englischen Heer. Schon stritt man an manchen Stellen auf freiem Felde. Das war der 25.März. Am Sechsundzwanzigsten begannen die alliierten Reserven auf Amiens zu strömen. Am Siebenundzwanzigsten und Achtundzwanzigsten füllte sich die Lücke wie der Blutschorf auf einer Wunde. Und am Neunundzwanzigsten stand die Feindesfront starr wie vorher. Das Wort Mars fiel nicht.
    Der deutsche General wußte, was auf dem Spiel stand. Schon erschüttert wiederholte er den Angriff im Mai, im Juli. Am 18.Juli erfolgte der erste feindliche Gegenstoß, der die deutsche Kriegsmaschine zum Stillstand brachte.
    Das Heer des General Ludendorff wurde vom 18.Juli ab einer grausam überlegten Abnützung unterworfen, von einem Gegner, der an Stärke wuchs. Der 8.August wurde der schwarze Tag des deutschen Generals, seine 2. Armee ließ sich bei Péronne östlich von Amiens überrumpeln, sieben Divisionen wurden vernichtet, ganze Sektoren ergaben sich kampflos den fremden Tanks. Am 21.März verfügte der Deutsche noch über achtzig frische Reservedivisionen, am 13.August standen hinter seiner Front nur noch fünfundzwanzig, davon viele schon abgenutzt. Er wurde über die Aisne und die Somme geworfen. Paris, das begehrte Paris, in das er schon die schweren Kaliber seiner Fernkanonen hatte fallen lassen, kam ihm aus den Augen. Paris, die Blüte des Abendlandes, war außer Gefahr. Die Gefahr begann für die Deutschen selber. Denn was sich jetzt um die Stadt und vor ihr sammelte, war Stahl, Feuer und unermeßlich wachsender Wille.
    Der deutsche General hatte schon tausend Kanonen und Millionen Granaten liegen lassen. Seine Front verlängerte sich. Am 10.September warfen die Engländer die Deutschen in die Hindenburglinie. Welch Morden begann um Cambrai, Cambrai zum zweitenmal in diesem Krieg im Zentrum qualvoller Mühen und heroischer Anstrengung. Es war eine kleine harmlose Stadt an einem Flüßchen, das sich durch das wellige Land ruhig nach Norden schlängelte, hin zur rauschenden Schelde. Hier gingen friedliche Provinzler umeinander, hatten ihre Cafés, Restaurants, ihre Familien, die Kirche, eine Spitzenindustrie gedieh nicht schlecht, man produzierte Zucker und Bier. Und wenn der Name der Stadt sonst fiel, so nannte man einen der feinsten und verführerischsten Geister Frankreichs, Fénelon, der hier vor Jahrhunderten saß und als Erzieher, Bändiger und Besänftiger wilder Menschen wirkte, wie des jungen Herzogs von Bourgogne. »Eure Siege und Eroberungen, Majestät«, schrieb er seinem König, »erfreuen nicht mehr. Man ist voll Bitterkeit und Kummer, die bis zur Verzweiflung gehen. Man glaubt, das Leid des Volkes geht Euch nichts an. Ihr stellt Euern Ruhm und Eure Hoheit über alles.« Er hinterließ ahnungsvolle Totengespräche.
    Um seinen stillen Wohnsitz entbrannte die Schlacht. Dreißig Tage, während dreißig Sonnenauf- und -untergängen, mordete und verwüstete man. Die Tommys griffen westlich der Stadt an. Am Vierundzwanzigsten und Sechsundzwanzigsten fielen ihnen die uneinnehmbaren Befestigungen um Selency nördlich von Saint-Quentin zu. Amerikaner kamen zu Hilfe, rissen die Linien im Norden und Süden der Stadt an sich. Erderschütternder Kanonendonner, Springen der Minen, Granatenhagel, die Tage, die Nächte ohne Ende. Anneux, die beiden Sauchy, Beaucamp, die Vorstädte von Cambrai sanken, die Amerikaner hatten sie, dazu dreihundert Kanonen. Und aus der lebenden Feindesmauer rissen sie zweiundzwanzigtausend Gefangene.
    Währenddessen legten andere amerikanische Armeen den furchtbaren Saint-Mihiel-Bogen an der Maas in einem achtundvierzigstündigen Kampf ohne Pause nieder. Hier hinterließ der weidwunde Gegner zweihundert Kanonen und zwanzigtausend Gefangene.
    Der deutsche General bewahrte das Gesicht. Er ließ sich kalt vernehmen: »Wir haben einen Ausfall aus einer belagerten Festung gemacht. Der Ausfall ist mißglückt. Die Festung steht unverändert.«
    Der feindliche General war Ferdinand Foch, ein gottesfürchtiger Mann aus Tarbes in den Pyrenäen, nicht weit von dem wunderklingenden Lourdes. Im Wirrwarr der Schlacht bei Morhange, Sommer 1914, zeichnete er sich aus, bei der Armee Castelnau kommandierte er jenes 20. Korps, das dem siegesgewissen Kaiser den Eintritt in die

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