November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
Stadt Nancy verwehrte, die Paradeuniform für den triumphalen Einzug war schon bestellt, aber das Geschick korrigiert menschliche Berechnungen. Zur Schlacht an der Marne holte ihn Joffre Ende August aus Lothringen, man sang bald das Hohelied der Maunoury, French und Franchet d’Esperey, die den tollkühnen Kluck zurückwarfen, der Flankenstoß wäre ihnen ohne Foch im französischen Zentrum nicht geglückt. Er war nahe den Siebzig. Einer schweren Wartezeit unterzog man ihn, in Versailles, als Generalstabschef ohne Armee. Erst an jenem 26.März, als die deutsche Entscheidungsschlacht geglückt schien, rief man ihn nach Doullens, wo der englische General Haig und der französische Pétain sich nicht einigen konnten. Man übergab Foch den Oberbefehl. Der fromme Franzose war nicht gewillt, das kalte Wort des Preußen: »Die Festung steht unverändert«, gelten zu lassen. Er hämmerte und stieß gegen die Festungsmauern, die der Fremde in seinem Land errichtet hatte. Denn diese Mauern waren ein wenig Eisen und Beton, die man zertrümmern, aber besonders Menschen, die man einfangen, töten, lähmen und ermüden konnte.
Er lockte mit britischen Armeen, welche General Debeney und Humbert unterstützten, nach und nach vierzig deutsche Divisionen heraus, dabei fünfzehn Reserve, unterzog sie mit der Zähigkeit seines Alters einem gnadenlosen Dezimierungsprozeß.
Der Monat verfloß. Der Oktober konnte nur zur Reife bringen, was der September gesät hatte. Am 3., 4., 5.Oktober griff das alliierte Heer von neuem an. Es war um diese Zeit mit dem deutschen General und seinen Soldaten schon so weit, daß sich der englische General Sir Haig im Sommetal österreichischen Einheiten gegenübersah. Hinter seinen Linien hatte der deutsche Feldherr nur noch vierzig Divisionen, davon zwei Drittel schon eingesetzt. Man berannte Cambrai von Süden und Norden. Man überschritt die Hindenburg- und Siegfriedlinie, die sich bei Catelet vereinten. Man schlug sich von Festung zu Festung, jeder Fuß Boden, furchtbar gesichert, wurde mit äußerster Energie verteidigt. Aber den Deutschen blieb es nicht erspart, über die Oise zu weichen.
Der Krieg von 1866 hatte zwei Wochen gedauert, der von 1870–71 sieben Monate, dieser ging nun ins fünfte Jahr. Immer wieder hatten irgendwelche Wunder den einen oder den andern blutenden Gegner am Leben erhalten und verhindert, daß sein Puls ganz schwach ging und der schwarze Schwindel sich über sein Gehirn legte. Jetzt aber breitete sich ein finsterer, die Todesnähe anzeigender Ernst bei den Deutschen aus. Es war der 29.September, wo der deutsche General seiner kaiserlichen Regierung die Gefahr anzeigte. Am 2.Oktober verließ ihn seine Kraft. Seine Nerven gaben nach. Er verlangte Waffenstillstand, Waffenstillstand, Waffenstillstand. Keine Stunde sei zu verlieren.
Aber der Feind war da, der alte fromme General aus Tarbes. Und über das atlantische Meer kamen in breiten Zügen, stark eskortiert und von keinem der einst so gefürchteten U-Boote gestört, die Transportschiffe des Neuen Erdteils und brachten Menschen, starke, unbekümmerte, auf die Schlachtfelder, wo sie – Deutschen, Franzosen und Engländern gleichmäßig zum Staunen – ihrem Artilleriefeuer voraus, aufrecht in unermeßlichen Scharen in das deutsche Maschinengewehrfeuer liefen. Sie waren so viel, daß sie die feindlichen Stellungen schließlich doch deckten. Ähnlich zwitschernden Zugvögeln auf den großen Wanderflügen, ähnlich Fischschwärmen zur Laichzeit, kleinen schuppenglänzenden flinken Tieren, von denen keines einen Namen hat und die die Boote der Fischer umwerfen, so kamen die Männer, von denen ihr Dichter Walt Whitman gesungen und prophezeit hatte:
»Komm, ich will den Kontinent unzertrennlich machen. Ich will die herrlichste Rasse schaffen, auf die je die Sonne schien. Ich will göttlich magnetische Länder schaffen, mit der Liebe von Kameraden, mit der lebenslangen Liebe von Kameraden.
Ich will Kameradschaft pflanzen, dicht wie Bäume entlang den Strömen Amerikas, und entlang den Küsten der großen Seen und über alle Steppen hin. Ich will unentzweibare Städte schaffen, die die Arme einander um den Nacken schlingen, durch die Liebe von Kameraden, durch die männliche Liebe von Kameraden.
Für dich dies von mir, o Demokratie, dir zu dienen, ma femme, für dich, für dich schmettere ich diese Lieder.«
Der Deutsche wich. Der Chemin des Dames wurde frei. Nun war es Mitte Oktober. General Erich Ludendorff hatte sich
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