Novemberasche
dachte sie, dass sie den Beruf wechseln sollte. Schauspielerin, das wär vielleicht
doch was für mich.
»Ist doch nicht der schlechteste Start ins Leben mit einer Million.«
»Das mag sein. Nur ist Jojo jetzt überzeugt, dass da noch mehr war zwischen Erik und mir.«
»Aber da war nichts – all die Jahre nicht?«
»Nichts. Es war nur so … Als Jojo aus den Staaten zurückkehrte, im letzten Frühjahr, da fühlte ich mich sofort wieder zu ihm hingezogen. Und ich
hatte Angst, dass …«
Marie wartete darauf, dass Stella weitersprach, doch diese schien endgültig verstummt. Sie stand auf und trat ans Fenster,
den Blick in den dämmrigen Nachmittag gerichtet.
»Ich hatte Angst, dass Erik nicht mehr zahlen würde. Ich meine, er hat sich wirklich nicht lumpen lassen, so musste ich auch
nur dreimal die Woche arbeiten. Und das nur halbtags. Ich dachte, wenn Erik Jojo und mich sieht, fängt er an, zwei und zwei
zusammenzuzählen. Damals, vor drei Jahren war ich auch mit Jojo zusammen. Ich hatte einfach Angst, dass irgendwie herauskommt,
dass das Kind gar nicht von Erik ist, sondern von Jojo. So, jetzt ist es raus.«
Marie spürte, wie die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage wie durch einen dichten Nebel zu ihr drang. Einen Momentlang saß sie von Fassungslosigkeit wie gelähmt da und war unfähig zu denken, geschweige denn zu sprechen. Dieses Kind – Cheyenne Cameron – war nicht Eriks Tochter.
»Weiß Jojo, dass Cheyenne sein Kind ist?«
Langsam wandte sich Stella vom Fenster ab und wieder Marie zu. Wie aus einer weiten Ferne kehrte ihr Blick zurück.
»Ich habe es ihm nie gesagt. Ich habe damals einen Vaterschaftstest machen lassen. Weil ich es selbst wissen wollte. Erik
war da und hat gesagt, er hilft mir. Jojo ist einfach abgehauen, nach Arizona. Ich dachte, ich sehe ihn nie wieder. Und plötzlich
steht er wieder da. Ich war so allein, ich hatte solche Angst, dass ich das nicht packe. Erik hat sich gekümmert. Damals dachte
ich, es wäre besser…« Stella straffte die Schultern und stand sehr aufrecht, wie um sich gegen etwas zu wappnen.
»… es wäre besser, einen Vater für das Kind zu haben, auch wenn es nicht der eigentliche ist«, brachte Marie den begonnenen Satz
zu Ende.
»Ja, verdammt! Das habe ich gedacht. Für Männer wie Jojo ist das alles so einfach.« Stella machte eine wegwerfende Handbewegung.
Ihre Stimme war laut und scharf, ihre Wangen gerötet. Dann wurde sie plötzlich ganz ruhig und nachdenklich »In letzter Zeit
habe ich den Eindruck, er ahnt es.«
»Dass er der leibliche Vater ist?«
Stella nickte. »Dabei geht ihn das im Grunde gar nichts an. Immerhin ist er damals abgehauen, obwohl wir zusammen waren, die
Monate vorher, meine ich, und ich hab schauen können, wo ich bleibe … Zum Glück hatte ich damals Eva.«
»Weiß sie denn davon?«
»Dass Erik gar nicht der Vater ist? Nein. Dass ich wieder was mit Jojo angefangen habe, ja. Ich denke, wenn man sonah beieinanderlebt, kriegt man so was zwangsläufig mit. Obwohl ich sie mit meinem Krempel nicht belasten will. Sie hat genug
eigene Probleme, die sie stemmen muss. Ich glaube nicht, dass sie im Moment …« Stella verstummte, machte eine vage Handbewegung, dann fuhr sie fort: »… die Konzentration aufbringt, sich auf meine Belange einzustellen.«
»Wieso nicht? Ich dachte …« Marie war ehrlich verblüfft. Eva war ihr immer so gelassen erschienen, in sich ruhend.
»Du weißt das natürlich nicht, weil keiner von uns drüber spricht. Und sie natürlich auch nicht.«
»Worüber?«
Stella schüttelte den Kopf. »Eine schlimme Geschichte, das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Eva hatte einen Sohn,
Tommy, der sich im Oktober das Leben genommen hat. Das war so furchtbar. Sie hat uns alle gebeten, in ihrem Beisein niemals
darüber zu sprechen. Wir halten uns natürlich daran.«
»Oh, mein Gott!«, war das Einzige, was Marie dazu sagen konnte. Sie hielt ihre Hand vor den Mund. Sie hatte geglaubt, dieser
Frau in den Tagen nähergekommen zu sein. Wie konnte man sich täuschen. Im Grunde wusste sie gar nichts über Eva.
»Das Schlimmste ist, sie will einfach nicht glauben, dass Tommy da runtergesprungen ist.«
»Aber – was glaubt sie denn?«
»Ich weiß es nicht. Wir sprechen ja nie darüber. Nur damals, ganz am Anfang … Irgendwie hatte ich den Eindruck, als würde sie jemand anderem die Schuld geben.«
Marie sah Stella mit großen Augen an: »Wie meinst du
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