Novembermond
löschen. Danach würdest du dich besser fühlen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das will ich nicht. Ich möchte nicht vor der Wahrheit davonlaufen. Vor dir.“ Das kam, ohne nachzudenken. Ich versuc h te in seinem Gesicht zu lesen, erkannte eine Seh n sucht so groß wie meine , bevor sich der Ausdruck darin wieder verhärtete. Trotzdem ver spürte ich wieder Hoffnung und nahm meinen ganzen Mut z u sammen. „Ich bin froh, dass ich dir begegnet bin. Und ich möchte auf die E rinnerung an dich nicht ve r zichten.“ Meine Stimme zitterte , und ich räusperte mich. „Und ich … du hast mich einmal gefragt, ob ich Angst davor habe, mehr über m ich zu erfahren.“ Ich redete jetzt einfach weiter, ohne nachzu de n ken, ohne meinen Ängsten Raum zu geben. „Ich bin bereit dafür und … möchte dich u n bedingt wiedersehen.“
„Obwohl du je tzt weißt …?“
„Ja. Das ist mir egal.“ Ich senkte den Kopf, weil ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte .
Julian zögerte, dann fasste er mich sanft am Kinn. Ich schmiegte mich in seine Hand. „Das darf dir aber nicht egal sein, Ellen. Du bist schön, stark und etwas ganz Besonderes.“ Plötzlich lächelte er wehmütig. „Aber du weißt nicht, was es bedeuten würde, wenn du … dich auf mich einlässt.“
Er wollte etwas anderes sagen, da war ich mir sicher.
Sein Ton wurde sachlich. „Du hatte st einen kurzen Einblick in das, was wir tun. Es gibt drei Tore in Berlin, und du kennst jetzt eines davon. Wir versuchen, die Übergänge bei Neumond vor Dämonen zu schützen. Das ist unsere Aufgabe. Wir sind die einzige Waffe, es gibt keine andere. Wir sind gesegnet und verflucht zugleich. Vielleicht ist uns der Weg ins Paradies tatsäc h lich versperrt, vielleicht aber auch nicht.“
Der Weg ins Paradies? „Glaubst du, dass du … schlecht bist?“
„Der erste Vampir war Marcus. Marcus war ein Mensch, der sehr viel Schuld auf sich g e laden hatte , aber aufrichtig bereute. Bernhard, der mich gewandelt hat, sagte, er wäre von Marcus gewandelt wo r den. Und Marcus von einem Engel.“
„Einem Engel?“
„Erzengel Michael.“
„Das klingt sehr … mystisch.“
Julian hob die Schultern. „Mystisch? Vielleicht. Wie u nsere Bestimmung , D ä monen zu bekämpfen und Menschen zu schützen. “
„Und da ernährt ihr euch von unserem Blut?“
„Blut ist Leben. Für Menschen und Vampire. Durch Blut sind wir für ewig mi t einander verbunden. Das ist der Preis, den sie zahlen müssen . Und wir. Wir bra u chen sie und sie brauchen uns.“
„Sehen das alle Vampire so wie du?“
„Die Vampire der Gemeinschaft schon. Aber es gibt andere, die ihre Besti m mung verleugnen. Gut und Böse gibt es überall, unter Menschen und Vampiren. Wobei ich dir w ünsche, dass Dir das Böse unter uns und seine Macht für i m mer verschlossen bleibt.
Ellen. Ich führe die Gemeinschaft an. Meine … Verpflichtungen kommen für mich immer an erster Stelle, nichts anderes. Dafür habe ich mich längst entschi e den . U nd ich habe damit Frieden geschlossen.“
Ich war ihm alles andere als gleichgültig . Aber er wollte mir keinen Platz in se i nem Leben zugestehen, auch wenn ich ihm seinen Frieden nicht abkaufte. Wie konnte ich ihn übe r zeugen, mich gegen seine kühle Vernunft und Pflichterfüllung wehren? Was konnte ich tun? Ich war mir meiner G e fühle, meiner Liebe für ihn sicher, aber i ch hatte nie gelernt, um einen Mann zu kämpf en , und es auch nie gewollt. Z war war ich bereit, meine eigenen Ängste zu überwinden. Aber das würde nicht reichen, nicht für uns beide. So etwas funktionierte nie. Nicht, wenn Julian Angst davor hatte , sich lieben zu lassen und ich für ihn ein Risiko bedeut e te, das er nicht eingehen wollte. Wenn er sich dagegen en t schied, uns eine Chance zu geben .
„Die meisten Menschen sehen nur meine Macht, das Außergewöhnliche in mir. Aber von dir weiß ich, dass du den Menschen magst, der ich war und manchmal selbst vergesse. Aber ich bin kein Mensch mehr, und deine Menschlichkeit ist bei mir verloren. Wo bei dir Wärme ist, ist bei mir Kälte, sonst nichts. Du erinnerst mich an alles, was mir früher wichtig war . Aber es ist zu spät. Viel zu spät.“
„Das stimmt nicht“, widersprach ich heftig.
„Und du bist klug“, sagte er und lächelte wehmütig. „Meistens jedenfalls. Denn jetzt bist du es nicht. Du solltest nie vergessen, wer ich bin. Und du hast keine Ahnung, worauf du dich einlassen würdest.“
„Es
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