Novembermond
ge nährt . Da war seine beei n druckende Macht, die er aber zumeist gut unter Verschluss hielt. Aber das war nicht alles. Julian weckte die verschiedensten Wünsche. Tei l zuhaben an seiner Macht. Sexuelles Begehren, den Wunsch nach Nähe und Trost. Und er vermitte l te den Eindruck, sie alle erfüllen zu können , auch wenn Daniel nicht ve r stand, warum . Vielleicht würde er mit Pierre darüber sprechen, wenn sich die Gelege n heit ergab. Und er es wirklich wagen sollte, mit ihm über Julian zu spr e chen.
Er spürte, dass Julian ihn erneut ansah.
„Es tut mir leid, dass ausgerechnet Gregor und Martin entkommen sind“, hörte er sich sagen. „ Es kommt n ur selten vor, dass sie die Nacht woanders ve r br ingen . Jedenfalls ist es damals so gewesen“, fügte er leise hinzu.
Julian zuckte die Achseln. „Du bist nicht dafür verantwortlich. Immerhin kon n te n wir heute Nacht viele Gefangene befreien. Sie verdanken dir ihre Rettung.“ Julian schwieg einen Moment. „Allerdings frage ich mich, mit wem und womit Gregor diese Nacht verbringt. Und das macht mir wirklich Sorgen.“
Daniel nickte unglüc klich. Julians Lob machte ihn stolz, aber Gregor und Ma r tin waren nicht zum Tanzen unterwegs. Und Gregor würde inzwis chen wissen, was geschehen war, und er bemitleidete jeden, der seinen fürchterlichen Zorn e r tragen musste.
Die Aktion verlief schnell und reibungslos, die gewirkten Schut z zauber hielten, und das Haus wurde schnell und leise gestürmt, wobei Paul , seine Gefährtin und drei andere so hefti gen Widerstand leisteten, dass sie getötet wurde n. Buchstä b lich den Kopf verl o ren, wie er später erfahren sollte.
Daniel stand im Sc hatte n der Nacht und hatte die Hände in den Taschen ve r graben. Er sah zu, wie die übrigen Männer und Frauen zu den Mercedes-Bussen gebracht wurde n. Siebzehn Vampire u nd zwei Menschen. Sie standen unter dem Ei n fluss von Magie und bewegten sich schlafwandlerisch ruhig. Er kannte keines der Gesichter. Alle waren nach ihm in den Schoß der „ Familie “ geraten. Gregor langweilte sich schnell, und die Leben s er war tung in seiner Nähe war alles andere als hoch.
Plötzlich spürte Daniel eine Hand auf seiner Schulter. „Es war nicht schwierig“, sagte Pierre ruhig. „ V on den Überlebenden gab es keinen Widerstand. Alle sind e r schöpft und schlecht genährt.“
Daniel nickte. Er spürte ein dumpfes und bohrendes Gefühl im Bauch, hatte Schmerzen und wusste nicht , war um.
„Möchte st du hineingehen?“
Daniel schüttelte entsetzt den Kopf.
„Mit mir?“
Er schloss die Augen, zog den Kopf ein und die Schultern hoch. Pierre kannte diese Körperhaltung, auch wenn Daniel sie lange nicht mehr gezeigt hatte .
„Daniel“, sagte er sanft.
„Ic h weiß nicht“, behauptete er .
„Komm mit. Du solltest dich endlich verabschieden. Danach wirst du dich be s ser fühlen, das ve r spreche ich dir.“
Daniel sog unentschlossen die Luft ein . D ieser Meinung war er nicht. Aber er vertraute Pierre, nickte zögernd und folgte ihm ins Haus.
Im Flur roch es nach Dreck, Müll und verschmutzten Toiletten. Während sie die Treppe am Ende des Flurs ansteuerten, war f er einen Blick in die Zimmer. Jede Tür stand offen, und Männer und Frauen der Nacht-Patrouille waren dabei, die Zimmer systematisch zu durc h suchen. Sie packten Akten in Kartons und stellten Rech ner und Laptops zum Abtransport bereit.
Vor der Kellertreppe blieb Daniel stehen. Er spürte den Druck von Pierres Hand auf seiner Schulter, zögerte und ging mit ihm die Stufen hinunter. Unten, im Keller, war es leer und still, doch er hörte Angst und Hoffnungslosi g keit von den Wänden widerhallen. Er sah die Matratzen, alt, teilweise aufgeplatzt, ve r dreckt mit Blut und anderem. H atte Körper vor Augen, die dort tei l nahmslos lagen und war teten. Panik kroch in ihn und versuchte, sich seiner zu b emächt i gen. Pierre verstärkte den Druck seiner Hand und ließ sie dort, auf seiner Schu l ter, so lange, bis sie wieder nach oben gingen. Draußen sog Daniel gierig die fr i sche Luft ein. Er registrierte erstaunt, dass er es geschafft hatte, sich seine r Ve r gangenheit zu stellen, ohne in Panik zu geraten. Erleichtert erwide r te er Pierres Lächeln und fühlte , dass e s immer breiter wurde.
*
„Ich werde noch bleiben“, meinte Julian.
„Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“
Julian runzelte die Stirn. Andrej benahm sich immer mehr wie ein Kindermä d chen, und er
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