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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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nikotinvergilbten Vorhängen verschlossen war. Durch die Vorhänge drang nur ein schwacher Lichtschimmer. Daniel sah Schatten, erspürte fünf Menschen, aber der Dämon befand sich nicht darunter.
    Sie gingen an der Bar vorbei durch die offene Toreinfahrt, blieben im Hof neben überquellenden Müllcontainern stehen und prüften das Haus aus dem Schatten des Innenhofes. Daniel stellte fest, dass eine Renovierung der Fassade mehr als überfällig war, und öffnete sich für die vielen Eindrücke aus den Wohnungen im Vorderhaus, den beiden Seitenflügeln und dem Hinterhaus, wobei er versuchte, die üblen Gerüche auszublenden.
    Max baute sich vor ihnen auf und sah sie nacheinander an, während Damian es vorzog, schweigend im Hintergrund zu bleiben. Er sprach Murat an. „Nun?“
    „Er ist dort irgendwo im Haus“, sagte Murat unbehaglich.
    „Wo genau?“
    Daniel spürte Murats Blick, und sie sahen sich hilflos an.
    „Schließt eure Augen“, empfahl Max. „Die können jetzt nicht helfen. Ihr habt noch andere Sinne. Sie können irgendwann euer Leben retten.“
    Daniel fragte sich, ob Max seine Anweisung wirklich ernst meinte. Erst nachdem er sich durch seinen bestätigenden Blick davon überzeugt hatte, gehorchte er und konzentrierte sich. Nach kurzer Zeit gelang es ihm tatsächlich, die unruhige Anwesenheit, die pure Bosheit und mühsam unterdrückte Wut des Dämons wahrzunehmen.
    Er wagte, als Erster zu sprechen. „Dort oben, im Hinterhaus. Vierter Stock.“ Max nickte, und Daniel lächelte erleichtert.
    „Wie ist die Strategie?“, fragte Murat.
    „Strategie?“ Damian ergriff erstmals das Wort und lachte heiser. „Seit den großen Kriegen der Menschen in Europa, als die Dämonen in Horden durch die Tore strömten, haben wir keine Strategie mehr benötigt. Wir finden ihn, stellen ihn, töten seinen Wirtskörper und dann ihn selbst.“
    „Und wir? Was sollen wir tun?“
    „Ihr?“ Damians Gesicht verzog sich spöttisch. „Versucht, nicht im Weg zu stehen.“
    Sie betraten das Hinterhaus durch eine schmale Holztür, von der die grüne Farbe fast vollständig abgeblättert war, und folgten den ausgetretenen Stufen nach oben. Damian bildete das Schlusslicht, und Daniel stellte fest, dass ihm seine unbarmherzige Kälte einen Schauder über den Rücken sandte.
    Der Flur war sauber, aber aus einer Wohnung im Erdgeschoss strömte der Gestank nach Müll, abgelöst von dem nach Urin ein Stockwerk höher, was keine Verbesserung bedeutete.
    Sie nahmen die letzten Stufen. Ganz oben im vierten Stock gab es zwei Wohnungen. Bei der linken hing die Eingangstür halb aus den Angeln, dahinter stapelte sich nichts als Stille, Staub und schwere Dunkelheit.
    Vor der rechten Tür blieben sie stehen.
    Höfliches Anklopfen erübrigte sich.
    „Und denkt daran: Der Mensch ist tot. Der Dämon kann den Körper auch dann noch steuern, wenn er eine Kugel im Kopf hat“, sagte Max mahnend und zog seine Klinge. Das vordere Stück aus Kunststoff verbarg eine dünne, scharfe Metallumrandung, die sich beim ersten Schlag löste und Wasser aus dem dahinter liegenden Hohlraum dringen ließ. Dämonen waren Geschöpfe des Feuers, und Wasser konnte sie schwächen und aufhalten.
    Damian stand neben Max, Max trat gegen die Tür, und dann ging alles sehr schnell. Die Tür sprang auf. Max stürmte durch den engen Flur in das einzige Zimmer, Daniel folgte als Letzter. Im Raum herrschte ein einziges Chaos. Der Boden war übersät mit Müll und zerschlagenen Möbeln. Einzig ein billiger Tisch voller Essensreste stand noch aufrecht. Der besessene Körper, der in dem kleinen Zimmer auf und ab ging, besaß das junge, durchtrainierte Aussehen eines Bodybuilders, der vermutlich sein Geld als Türsteher verdient hatte. Er fuhr herum und starrte Max an. Das Gesicht zog heftige Grimassen, die Augen leuchteten rot. Ohne sich mit einer Vorrede zu beschäftigen, ging Max zum Angriff über. Sein Gegner stürzte ebenfalls auf ihn zu, um ihm im letzten Moment geschickt auszuweichen. Der Dämon bewegte sich eckig, aber unmenschlich schnell, sodass sich Max’ Klinge in den Fensterrahmen bohrte, vor dem der Dämon eben noch gestanden hatte. Die Klinge sprang wie erwartet auf und verschwendete das kostbare Wasser über die vergilbte Tapete.
    Max griff in sein Rückenhalfter und zog die nächste Waffe, während er mit einem hastigen Ausweichmanöver dem rohen Aufprall des Dämons auswich, der wirkungslos in den Überresten eines zerbrochenen Kleiderschranks endete.

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