Novembermond
einen dicken Mantel über ihrem Nachthemd und eine Katze auf dem Arm. „Wer sind Sie?“ Sie starrte die beiden Männer an.
Damian fing ihren Blick auf. „Wir sind die Nachtwächter, gute Frau.“
Sie nickte zufrieden, trat zur Seite und ließ sie durch.
Julian setzte Damian an der Zentrale ab und griff zum Handy.
„Hast du Zeit?“
„Für dich immer.“
„Ich bin in einer halben Stunde bei dir. Spätestens.“
„Ich freue mich.“ Die Stimme bebte leicht.
Julian fuhr auf die Stadtautobahn und in Charlottenburg wieder ab. Am Stuttgarter Platz parkte er, von dort war es nicht mehr weit. Er ging durch menschenleere Straßen und sah sich um. Berliner Bezirke hatten sich schon oft verändert. Dies galt auch für diesen Kiez. Viele der billigen Ramschläden und schäbigen Bars waren verschwunden. Das Rotlichtmilieu hatte sich größtenteils zurückgezogen und Platz gemacht für trendige Cafés und Restaurants, die aber um diese Zeit bereits geschlossen hatten.
Vor einem grauen und unauffälligen Altbau blieb Julian stehen und klingelte. Als der Türöffner summte, trat er durch den engen Flur, durchquerte den dunklen Hof mit den zwei dürren Birken und stieg die ausgetretenen Stufen bis in den dritten Stock des Seitenflügels hinauf.
Ines erwartete ihn an der Tür. Sie hatte nicht viel an, und das Wenige bestand aus roter Seide und Spitze und ließ sie noch nackter aussehen.
Ines wohnte mit ihren beiden Kindern im Vorderhaus. Sie arbeitete in einer Bar und nutzte die kleine Wohnung im Seitenflügel für Nebeneinnahmen. Ines war eine attraktive, unabhängige und vor allem unkomplizierte Frau. Julian mochte sie. Er legte einige Scheine auf das Sideboard.
Ines schüttelte den Kopf. „Du beschämst mich. Ich habe dir doch gesagt, dass das nicht notwendig ist.“
„Ich weiß. Aber du beschämst mich, wenn du es zurückweist.“
Sie zuckte die Achseln und zog ihn zu sich aufs Bett. Ihr Körper war heiß und bereit. Wie immer, wenn er sie besuchte. Aber gegen Julians Willen tauchte plötzlich Ellens Bild vor ihm auf. Blondes Haar statt dunklem. Ein vollkommener Körper in kariertem Flanell. Julian schüttelte leicht den Kopf. Doch die Erinnerung ließ ihn nicht los, wie ein Feuer, das ihn innerlich verbrannte und quälte. Es war Ellens Körper, ihre Berührung, nach der er sich sehnte. Sie hatte sich in seinen Verstand eingenistet und irritierte ihn noch mehr, als er geglaubt hatte. Verdammt, das war lächerlich. So etwas konnte er überhaupt nicht gebrauchen.
Das Zeichen war entfernt und mit ihm jeder Grund, sie wiederzusehen. Auch Christians Rettung war geglückt, aber da gab es immer noch Sonya und Armando, um die er sich kümmern musste. Neuerdings machten ihm diese Alexanderplatz-Opfer Sorgen. Diese Entwicklung musste er ebenfalls im Auge behalten. Dennoch fragte er sich, wann er das letzte Mal länger als eine halbe Stunde mit einer Frau im Bett verbracht hatte. Einer Frau, die ihn wirklich interessierte. Anstelle der kurzen Lust mit willigen und austauschbaren Frauen – wie Ines.
Ines war bildschön und erfahren, aber Julian stellte fest, dass er sie heute nicht ansehen mochte. Lieber blickte er aus dem Fenster. Quälte sich mit dem Bild strahlend blauer Augen. Sein Körper tat, was er wünschte, weil er sich etwas beweisen wollte, und gehorchte perfekt, wobei Ines unter ihm in ihrer Hitze gar nicht bemerkte, dass es ein Akt des Willens war und keiner der Lust. Sie war mehr als zufrieden. Julian seufzte und fing ihren Blick ein. „An das, was jetzt passiert, bis ich hinter mir die Tür schließe, wirst du dich nicht erinnern.“
Ihr Blick wurde starr, und sie nickte. Julian leckte ihr leicht über den Hals, schmeckte den salzigen Schweiß, den ihre Erregung dort abgelagert hatte. Dann öffnete er eine Ader und trank.
Julian zog sich an und ging leise hinaus. Ines würde ihn so weit festigen, dass er der nächsten Nacht ohne Sorgen entgegensehen konnte. Trotzdem musste er schon wieder an Ellen denken.
Sein Ausflug in den Selbstbetrug war alles andere als erfolgreich gewesen.
*
Ich träumte. In diesem Traum war es Nacht.
„Lass mich dir geben, wonach du dich sehnst.“ Das Gesicht lag im Schatten, Augen funkelten hell in der Dunkelheit.
„Wonach ich mich sehne?“ Selbst im Traum hatte ich mir ein gesundes Misstrauen bewahrt. „Männer haben mich bisher noch nie auf Rosen gebettet.“
„Auf Rosen gebettet? Ist es wirklich das, was du willst?“
„Rosen? Jetzt, im
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