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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Theisen
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Taschenuhr. Das gute Stück ging neuerdings etwas nach und er musste sie wohl oder übel zum Uhrmacher nach St. Josef bringen. Als er gerade über die Kosten grübelte, wurde die Hoftür knarrend geöffnet. Michael, der vermutete Elzer würde ihm einen weiteren Besuch abstatten, sah gar nicht erst hin, sondern rief einfach, in seine Arbeit vertieft: »Im Keller ist noch Bier, geh und hol uns zwei Flaschen hoch, heute geb ich mal einen aus!« Aber es kam keine Antwort. Der Hausherr schaute lachend mit den Worten auf: »Na, hat es dir die Sprache verschlagen?« Doch als er nun erkannte, wer ihn da beehrte, war Michael derjenige, welcher schwitzend mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, in schmutziger Arbeitshose und leicht in den Nacken gezogener Schlägerkappe, keine weitere Silbe mehr herausbrachte. Denn vor ihm stand Maria, seine geliebte Maria in einem dunkelgrünen Sommerkleid und ihre blonden Haare wehten offen im Wind. Sie trug zudem die braunen, eleganten Schuhe mit Absatz, die Michael ihr, bevor er in den Krieg musste, zum Abschied geschenkt hatte. Er bemerkte, dass seine Frau, die eigentlich eine blasse Hautfarbe hatte, über den Sommer für ihre Verhältnisse sehr braun geworden war .
    » Der Drecksack hat sie auf seinen Feldern schuften lassen«, dachte er sich und ohnmächtige Wut auf Kreismüller stieg in ihm auf. Wortlos standen sie sich gegenüber und ihre Anspannung brachte die Luft zwischen ihnen förmlich zum Knistern, bis Maria schließlich die Stille durchbrach .
    » Es ist mir, wie du dir sicher denken kannst, nicht leicht gefallen, dich aufzusuchen«, begann sie kleinlaut .
    » Heinrich weiß nichts davon, dass ich zu dir gegangen bin. Er und der Knecht sind heute Morgen schon sehr früh los, um auf den Feldern die Strohballen zu verladen«, fuhr sie fort. Seitdem Michael aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, hatte er sich jeden Tag und jede Nacht sehnsüchtig gewünscht, dass seine Familie wieder zu ihm zurückkommt und sich hunderte Male ausgemalt, was er ihnen alles sagen würde. Doch von alledem war plötzlich nichts mehr in seinem Kopf vorhanden, alles wie ausgelöscht. Und so brachte er nur ein paar einfältige Sätze heraus: »Hier setz dich erst mal«, sagte er, flitzte ins Haus, brachte hastig einen Stuhl herbei und schob noch ein besorgtes »willst du was trinken? Du musst doch durstig sein« hinterher. Doch Maria, die die angebotene Sitzgelegenheit und das Getränk ausschlug, legte nun mit ihren Ausführungen nach: »Ich kann mir gut vorstellen, was du von mir hören möchtest, aber deswegen bin ich nicht hier.« Plötzlich wirkten ihre Worte auf Michael kühl und unnahbar. Beim Klang der Stimme seiner Frau lief ihm ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter und ihm war so, als kenne er sie nicht mehr wieder .
    » Ich will mich von dir scheiden lassen«, sagte sie hart und fixierte ihn durchdringend mit ihren Augen. Bergheim, der sich zwar einige Szenarien des Wiedersehens vorgestellt hatte, war diese Variante allerdings nie in den Sinn gekommen. Diese Worte seiner Frau waren wie Messerstiche in sein Herz .
    » Warum nur, schau dich doch um, was ich alles in den letzten Monaten geschafft habe, damit du siehst, dass ich für dich und Rosi sorgen kann!«, schrie Michael nach Luft ringend seiner Frau ins Gesicht, breitete seine Arme weit aus und zeigte auf seinen Besitz. Kreismüllers stetige Ammenmärchen, die er Maria bezüglich ihres Mannes zum Besten gab, hatten ihre Gefühle für Michael vergiftet und sich so tief in ihren Verstand eingebrannt, dass sie Bergheims hilflose Worte kaum realisierte. Ohne die geringste Rücksicht auf das Befinden ihres Mannes war sie nur darauf bedacht, ihre Botschaft vorzutragen .
    » Ich bin wieder schwanger«, fügte sie anschließend noch emotionslos hinzu.
    Wenn Marias Wunsch nach der Scheidung für Michael bereits unvorstellbar erschien, bedeutete dies nun für ihn den Todesstoß. Ihm brannten nun alle Sicherungen durch .
    » Wer ist der Vater, wer ist der Drecksack, dem ich das zu verdanken habe! Ich reiße mir hier den Arsch für euch auf und das ist der Dank!«, schrie er wie von Sinnen. Er konnte sich denken, wer derjenige war, doch er wollte es aus ihrem Munde hören. Marie erschrak kurz und wich einen Schritt angesichts ihres tobenden Mannes zurück .
    » Wer ist der Vater?!«, zischte Michael nochmals eindringlich, fasste seine Frau mit beiden Händen an ihren Oberarmen und schüttelte sie. Maria, sich windend um freizukommen, fauchte

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