Novemberrot
war, dass seine Leiche nicht gefunden wurde. Heinrich Kreismüller kam dieser Umstand natürlich wie gerufen. Er verfügte seit je her über einschlägige Seilschaften zu Beamten in den entsprechenden Verwaltungspositionen. Es war für ihn ein Leichtes, seine Kontakte für seine üblen Machenschaften zu nutzen. Und so wurde Michael Bergheim, nach Zahlung einer kleinen »Aufwandsentschädigung« von 100 Reichsmark durch Kreismüller in die Privat-Schatulle der honorigen Schreibtischtäter, im Januar 1948 offiziell für tot erklärt. Heinrich war an seinem Ziel angelangt. Am 14. Februar 1948 heiratete er Maria und genau zehn Tage später brachte sie einen Jungen zur Welt.
Kapitel 1
»Freddie Mercury ist tot«, tönte die gedämpfte Stimme des Sprechers aus den Boxen des Auto-Radios, als Opener der Neun-Uhr-Nachrichten am Morgen des 25. Novembers 1991 .
» Der Sänger der britischen Rockband Queen verstarb am späten gestrigen Abend an einer Lungenentzündung infolge von AIDS«, fuhr der Moderator nüchtern fort.
Kommissar Fritz Weller, der gerade mit seinem Dienstwagen, einem silber-metallic farbenen VW Passat Kombi, von Burgstadt nach Mayberg auf der zweispurig ausgebauten Bundesstraße unterwegs war, schockierte diese Meldung so sehr, dass er erst einmal in einer Ausbuchtung am Fahrbahnrand anhalten musste. Nicht allein damit genug, dass er zu einem Mordfall in die Provinz gerufen wurde, nein, jetzt auch DAS noch. Zahlreiche Gerüchte kursierten zwar bereits seit Längerem, dass Mercury ernsthaft erkrankt sei, doch erst vor zwei Tagen hatte der es in der Presse tatsächlich bestätigt. Und dann ging alles so schnell. Bereits seitdem die Killer Queen 1974 in ihrem hübschen Kabinett ihren Champagner schlürfte, faszinierte Fritz die energiegeladene Musik der Band. Scheinbar mühelos schaffte es Queen im Laufe der Jahre immer wieder, variantenreich sämtliche Stilrichtungen, angefangen von bombastischem Heavy Rock über Operettenanleihen bis hin zu Funk, Pop und Gospel, in den Sound ihrer Lieder einfließen zulassen. Kaum einer anderen Gruppe gelang es, eine solch musikalische Vielfalt zu Tage zu fördern. Außerdem stand für ihn unumstößlich fest, nachdem er sie im Februar 1979 bei einem Konzert in Saarbrücken zum ersten Mal in Natura gesehen hatte, dass Queen die mit Abstand beste Live Rock Band der Welt war, was natürlich nicht zuletzt an deren charismatischem Frontmann und dessen einzigartiger Stimme lag. Ihm war so, als habe er Mercurys markante Stimme vom 86er Maimarkt Konzert in Mannheim noch immer in seinen Gehörgängen … und dieser begnadete Sänger war nun für immer verstummt. Weller brauchte einige Minuten, um wieder Fassung zu erlangen. Dann atmete er kräftig durch und setzte seinen Weg in Gedanken schwelgend fort. Sämtliche Radio-Sender spielten an diesem Tag fast ausschließlich die Musik der Band und Mercurys .
» Heute kommt auch alles zusammen«, dachte Weller bei sich .
» Erst bekommst du den Auftrag, der dich dorthin führt, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, und als Krönung des Ganzen dankt dann noch Freddie ab.« Passend zur schlechten Laune des Kommissars begann es knapp fünfzehn Kilometer vor Mayberg auch noch zu regnen .
» Mayberg, Mayberg«, schoss ihm plötzlich durch den Kopf und verdrängte die Nachricht von Mercurys Tod aus seinen Sinnen .
» Mayberg, da war doch mal was … ja natürlich, wie konnte ich das nur vergessen?!« Und sofort hatte er die tiefgreifenden Geschehnisse von damals wieder vor Augen, so als wäre es erst gestern gewesen.
Nachdem Fritz Weller 1966 die Ausbildung als Jahrgangsbester an der örtlichen Polizeischule in West-Berlin abgeschlossen hatte, bekam er seine erste Stelle als Kommissar bei der Kriminalpolizei in Burgstadt. Ihm war damals natürlich bewusst, dass es eher eine ländliche Gegend war, wo er nun seine Anstellung hatte und mit seiner alten Heimat absolut nicht vergleichbar. 1938 in Reinickendorf als einziges Kind einer preußischen Offiziersfamilie geboren und dort aufgewachsen, hatte er, abgesehen von den Urlaubsfahrten und dienstlichen Touren, die meiste Zeit seines bisherigen Lebens im westlichen Teil der Großstadt verbracht. Seine Anreise mit der Bahn verlief auf dem letzten Teilstück von Mainz nach Burgstadt den Rhein entlang. Da er bereits in der Nacht gegen ein Uhr in Berlin gestartet war, konnte er nun mit der aufgehenden Spätsommer-Sonne des ersten Septembers die vorbeiziehende Landschaft betrachten. Ein Dorf
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