Novemberrot
reihte sich in unterschiedlichen Abständen an das andere. Fritz musste anfangs schmunzeln, als er die Schilder mit der Beschriftung Bahnhof in den Dörfern las, denn im Vergleich zu Berlin waren dies hier allenfalls kleine Haltestellen, aber auch nicht mehr. Ab und an stiegen Fahrgäste ein, deren Arbeitsstellen sich auch in Burgstadt befanden. Die Kreisstadt hatte zu dieser Zeit etwa einhunderttausend Einwohner und bildete den Standort zahlreicher Verwaltungen. Gegen halb acht erreichte der von einem Dieseltriebwagen gezogene Zug den Zielort. Fritz Weller hob seine beiden Koffer aus dem Gepäckfach über ihm und stieg aus dem Wagon des Zweite-Klasse-Abteils. Der Weg führte ihn, den Hinweis-Schildern folgend, vom Bahnsteig eine breite steinerne Treppe hinab in den Bahnhofsbereich, wo sich einige kleinere Geschäfte, eine Kneipe und die Fahrkarten-Schalter befanden. Eine Frau, die, eine Zigarette rauchend, direkt neben der mit Metall eingefassten gläsernen Ausgangstür des Bahnhofgebäudes stand, sah, wie er mit seinen schweren Koffern in den Händen dorthin wankte und hielt ihm diese fast ein wenig mitleidig auf .
» Aber freundlich sind die Leute hier«, dachte er sich, sagte laut Dankeschön und nickte dazu. Weller stieg in eines der am Bahnhofvorplatz wartenden Taxis und ließ sich direkt zum Präsidium kutschieren. Dort eingetroffen und nachdem er sich beim wachhabenden Polizisten im Eingangsbereich ausgewiesen hatte, meldete er sich bei seinem neuen Chef, der ihn bereits erwartete. Nachdem ihm dieser kurz und bündig in befehlsmäßigem Armee-Ton einige grundsätzliche Regeln und Verhaltensweisen dargebracht hatte, wurde der frischgebackene Kommissar von seinem Vorgesetzten zu seinem künftigen Büro geleitet. Weller öffnete die Tür. Dem Nichtraucher stieg sofort der ekelhafte Geruch von kaltem Zigarettenqualm in die Nase. Dazu bot sich ihm ein Anblick, als sei in diesem Zimmer in den letzten 20 Jahren die Zeit stehen geblieben. In der Mitte des beige gestrichenen Büros standen sich zwei schlichte, hellbraune Holzschreibtische gegenüber. Darauf platziert je eine Lese-Lampe aus Metall und davor ein einfacher, hölzerner, mit einem geblümten Kissen belegter Bürostuhl. In der Mitte zwischen den beiden Tischen war eine Art schwenkbare Ziehharmonika-Halterung montiert, an deren Ende auf einem Blech ein graues Wählscheibentelefon befestigt war. Hinter dem rechten Schreibtisch stand ein mit Papieren und Aktenordnern vollgepfropftes Wandregal. Durch das gegenüber der Tür gelegene Fenster blickte man in den Hinterhof des Nachbartraktes. Der Fußboden war mit hellgrauem Linoleum ausgelegt, das um den Stuhlbereich des linken Schreibtisches fast bis auf den darunter liegenden Estrich durchgescheuert war. Und als besonderer Höhepunkt thronte auf selbigem in der Mitte eine klapprige, antik anmutende Schreibmaschine .
» So, das ist Ihr neuer Arbeitsplatz!«, präsentierte der Chef mit stolzem Unterton die Räumlichkeit .
» Ihr Vorgänger, der letzte Woche in Pension gegangen ist, war starker Raucher. Aber mit ein wenig Lüften kriegen sie das schon wieder hin. Ihr Partner, Hauptkommissar Winfried Schuster, pafft jedenfalls nicht, na immerhin habe ich ihn noch nie dabei gesehen«, fügte er schmunzelnd hinzu .
» Er müsste eigentlich jeden Moment wieder hier sein. Na, ich lasse Sie mal alleine, er wird schon gleich kommen.« Mit diesen Worten verabschiedete sich der Vorgesetzte, wünschte Weller noch viel Glück und verschwand. Fritz blieb erst einmal sprachlos wegen der vorgefundenen Gegebenheiten am Fenster stehen und blickte hinaus. Die beiden Koffer hatte er neben sich abgestellt .
» Moin Moin!«, hörte er plötzlich hinter sich jemand schwungvoll sagen. Er schaute zur Eingangstür und erblickte ein vielleicht einssechzig großes, besser gesagt kleines Kerlchen, dessen Glatze von einem schmalen, grauen Haarkranz gesäumt wurde. Auf der Nase trug er eine einfache mit runden Gläsern bestückte Brille .
» Du musst der Neue aus Berlin sein, stimmts? Ich heiße Winfried Schuster. Der Alte«, er meinte damit den Chef, »hatte dich bereits für heute bei mir angekündigt. War mir eben einen Kaffee holen«, fügte der Zwerg hinzu .
» Ja stimmt«, brachte Fritz nur heraus, der sich noch nicht vom gruseligen ersten Eindruck seines neuen Wirkungsbereichs erholt hatte .
» Kommissar Fritz Weller«, stammelte er noch hinterher. Die beiden Polizisten standen sich nun in Zivil-Kleidung gegenüber. Jedoch
Weitere Kostenlose Bücher