Novemberrot
neugierige Dorfbewohner, aufgrund des nicht alltäglichen Spektakels, auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig zur Beobachtung des Treibens in Position gebracht. Weil Weller direkt vor ihnen seinen Wagen parkte, erntete er missmutiges Murmeln und Kopfschütteln der Umherstehenden, was diesen aber nicht weiter beeindruckte .
» Na, auch schon wach? Da kommt der erst, wenn hier schon die meiste Arbeit getan ist!«, rief seine Kollegin ihm ironisch zur Begrüßung zu. Weller, der sich normalerweise noch über ihre auffällige Kleidung mit einem lockeren Spruch lustig gemacht hätte, schenkte sich das nun, da Steffi aufgrund seines verspäteten Eintreffens verständlicherweise nicht in allerbester Laune war. Da es mittlerweile immer heftiger begann zu regnen, hatte sie die Kapuze ihres gelben Regenmantels über ihren Kopf gezogen, so dass nur die vorderen Strähnen ihrer rotbraunen, langen Haare zum Vorschein kamen. Passend dazu trug sie Gummistiefel in der Farbe des Oberteils, in welche sie die Hosenbeine ihrer blauen Jeans gesteckt hatte .
» Sau-Wetter!«, fluchte der Kommissar und kramte seine schwarze, bis zu seiner Hüfte reichende Lederjacke aus dem Kofferraum des Dienstwagens, zog sie eilig über sein gelbes Hemd mit schwarzer Weste und stellte den Jackenkragen zum Schutz vor den widrigen Wetterbedingungen hoch. Auch seine hellbraunen wildledernen Westernstiefel und die hellblaue Jeans, die er darüber trug, waren, wie er zu seinem Leidwesen feststellte, wohl nicht die ideale Kleidung, um sich diesen Tatort aus der Nähe zu betrachten. Die übrigen mit der Leiche beschäftigten Personen hatten inzwischen auch bemerkt, in welcher Aufmachung der Kommissar aufgekreuzt war. Es lag sogar so etwas wie surrender Trommelwirbel in der Luft, als Weller versuchte, den Bach mit einem Satz zu überspringen. Denn dieses Unterfangen war aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht so leicht, wie es den Anschein hatte. Auf der einen Uferseite des Baches lag die gut einen Meter hohe Böschung zur Dorfstraße hin und gegenüber ein gepflügter, lehmiger Acker, der die komplette Fläche zwischen Chaussee, Dorfstraße und Ortsrand ausfüllte. Bis auf das Stück Kanalrohr, welches quer unter der Bundesstraße hindurch verlief, plätscherte der Bach dann bis zur Mündung in seinem natürlichen Bett dahin. Fritz nahm kurz Schwung, doch schon einen Augenblick später fand er sich mit dem rechten Bein bis zur Wade im kalten Wasser stehend wieder. Mit beiden Händen sich an den Grasbüscheln hektisch hochziehend erreichte er trotzdem, wenn auch ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, das rettende Feld. Die Umherstehenden konnten sich ihr Lachen kaum verkneifen, als der Kommissar zu ihnen durch das umgepflügte Feld angestakst kam. Wasser perlte von seiner Nase und der Regen lief unaufhörlich über seine grauen Haare, den Nacken hinab in den Kragen seine Jacke. Weller gesellte sich zu Gerichtsmediziner Doktor Jakob und betrachtete die Leiche, welche sich bäuchlings, mit dem Gesicht von der Gruppe abgewandt, auf einer am Rand des Ackers eilig ausgelegten Plastik-Plane zur Beweissicherung befand. Seine Kollegin, neben dem Toten kniend, blickte auf und berichtete kurz: »Also, gefunden wurde die Leiche im Mayberger Bach liegend, etwa fünf Meter hinter der Austrittsstelle des Flüsschens aus dem kanalisierten Bereich ins Freie. Sie hatte sich im Geäst des entwurzelten Baumes, der da vorne ins Wasser hinein ragt, verfangen. Nach der ersten Bestandsaufnahme haben wir den Toten rausgezogen und hier abgelegt.«
»Weiß man schon, wer der Tote ist? Wie lange liegt der schon da? Wer hat ihn gefunden? Was war die Todesursache? Ist er überhaupt ermordet worden, oder ist er womöglich nur mit besoffenem Kopf unglücklich gefallen?« Die letzte Frage hatte Weller, in der Hoffnung, schnell wieder von diesem ungastlichen Ort wegzukommen, nicht so ganz uneigennützig gestellt.
»Also, nun mal eins nach dem Anderen«, antwortete Kommissarin Franck betont bedächtig und sich aufrichtend. Sie arbeitete schließlich schon längere Zeit mit Weller zusammen und kannte seine Marotten .
» Gefunden wurde er heute Morgen gegen sieben Uhr von einem gewissen Marek Ceplak. Das ist übrigens der ältere Mann in der braunen Cordjacke und der schwarzen Kappe, der bei unseren Kollegen von der Bereitschaftspolizei gerade seine Aussage macht«, fuhr sie in ihrem Bericht fort und deutete auf die Personengruppe, die unter der geöffneten Heckklappe des grün-weißen
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