Novemberrot
eigentlich einer umgehenden Aufarbeitung bedurfte. Die Stange aus silbrig glänzendem Edelstahl fehlte genauso wenig wie die obligatorische glitzernde Disco-Kugel an der Decke sowie entsprechende bunte Lichtstrahler. Des Weiteren war der Nachtclub mit allerlei erotischem Sammelsurium, angefangen von mehr oder weniger geschmackvollen Aktbildern in Ölfarbe, und so manch einer kitschigen Nachbildung von antiken Frauenbüsten überladen. Gegenüber auf der anderen Seite des Tanzbereichs befand sich die Theke, vor der fünf Stehhocker parallel dazu aufgestellt waren.
Die im dahinter liegenden Schrank angebrachten Halogen-Strahler tauchten diesen Ort in weißes Licht und machten ihn damit zum hellsten Platz des gesamten Innenbereichs. Rechts an der Theke vorbei gelangte man zum einen zu den Toiletten sowie ins Büro des Chefs und zum anderen führte der Weg in die beiden oberen Stockwerke des Gebäudes. Der Geruch von kaltem Zigarettenqualm, Alkohol und billigem Parfüm unterstrich das schmuddelige Gesamtbild des Ladens. Und zur Untermalung der ganzen Szenerie quoll aus den Lautsprecherboxen seichte deutschsprachige Schlagermusik, die wie Weller empfand, vor Schmalz nur so triefte.
Der Kommissar konnte zunächst niemanden im Saal erspähen und rief daher laut den Namen des Besitzers. Der schnellte einen Moment später blitzartig hinter der Theke empor, um zu sehen, wer da so schroff nach ihm verlangte. Sein angespannter Gesichtsausdruck wich jedoch sofort einem sichtlich erleichterten Grinsen, nachdem er den Rufer erkannt hatte und er atmete kräftig durch .
» Der Piefke, lange nicht mehr gesehen! Und wie ist das werte Befinden?«, hieß er Weller willkommen und kam um die Theke herum an die Tanzfläche gestiefelt.
Da stand Heinzi, eigentlich lautete sein bürgerlicher Name Bernhard Schraffelhuber, dem Beamten nun in seiner ganzen Pracht gegenüber. Aus Gründen, die keiner so recht kannte, hatte es ihn in den frühen Siebzigern aus der Wiener Gegend nach St. Josef verschlagen. Und für Kommissar Weller war er beileibe kein Unbekannter.
Denn Heinzi hatte in den letzten Jahren so manch krummes Ding gedreht. Einmal wurde er für mehrere Jahre eingebuchtet, weil er mit seiner Gang im großen Stil Bagger, Raupen und Ähnliches von Baustellen gestohlen und ins Ausland verschoben hatte. Dazu kamen noch mehrere Anzeigen wegen Körperverletzungen und Beleidigungen. Aber seitdem er ins Nachtclub-Geschäft eingestiegen war schien es, wie er auch bei allen Gelegenheiten extra betonte, als sei aus ihm ein ehrenwerter Geschäftsmann geworden.
Vom Typ her wirkte Schraffelhuber wie der ältere Bruder des österreichischen Sängers Falco. Sonnenbankgebräunte Haut, die schwarz gefärbten Haare mit reichlich Pomade zurückgeklatscht, ein schwarzes hautenges Lederhöschen mit breitem Gürtel und darunter weiße Slipper. Gekrönt wurde das Ensemble durch das kurzärmlige, bis zur Mitte seiner Brust aufgeknöpfte Hemd im Tigerlook, welches genauso spack wie die Hose saß. So musste man bei jedem Atemvorgang Heinzis zwangsläufig damit rechnen, dass die Hemdsknöpfe auf Dauer diesem enormen Druck nur schwer Stand halten konnten und sie daher eines unverhofften Augenblicks einem mit Karacho ordentlich um die Ohren fliegen würden.
Eine massive, goldfarbene Kette mit Kreuz um den faltigen Hals und der protzige Siegelring am Ringfinger der linken Hand rundeten das Gesamtkunstwerk ab. Und wirkte der Wiener Dialekt für bundesdeutsche Ohren, besonders wenn man wie Fritz ursprünglich aus Berlin stammte, extrem cool und lässig, so verstand sich Heinzi als wahrer Meister des Schmähs, indem er leicht nasal fast jedes Wort schier endlos in die Länge zog. Bei manchen seiner Ausdrücke oder Redewendungen fühlte man sich gar ins Wien des 19. Jahrhunderts zurückversetzt .
» Mensch Schraffelhuber, mach erst mal das Gejohle aus, damit wir uns normal unterhalten können, ohne uns dauernd anschreien zu müssen!«, begrüßte Weller den Nachtclub-Besitzer in schroffem Befehlston. Der folgte der Aufforderung, wenn auch etwas widerwillig, da er nur sehr ungern mit seinem Familiennamen angesprochen werden wollte .
» Kennst du einen Manfred Kreismüller?«, wollte der Kommissar nun, nachdem Ruhe eingekehrt war, wissen .
» Nie von dem gehört«, lautete Heinzis kurze Antwort, wobei er ihn schulterzuckend anblickte und auch bei wiederholtem Nachhaken seitens des Polizisten bei dieser Aussage blieb .
» Okay, ich glaube meine Kollegen von der
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