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Novemberschnee

Novemberschnee

Titel: Novemberschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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fühlten uns bald wie echte Profis.
    Zum Schluss kauften wir uns schwarze Skimützen. Bei dem Überfall durften wir nicht erkannt werden, schon gar nicht in unserem Kaff, in dem uns alle kannten. Außerdem gab es in der Bank todsicher Überwachungskameras. In die Mützen schnitten wir Schlitze für die Augen. Tom machte als Einziger auch Öffnungen für Mund und Nase. Er hatte Angst, zu ersticken, da bin ich mir heute ziemlich sicher. Aber damals hatte ich noch keine Ahnung, was er erlebt hatte, bevor wir uns kennen lernten. Wieso wir uns keine Bank im Nachbarort ausgesucht haben, fragen Sie? Warum sollten wir? Wir hatten schließlich nicht vor die Sparkasse in Wirklichkeit zu überfallen.
    In der letzten Novemberwoche waren wir dann so weit. Wir hatten eine Bank, in der die Millionen auf uns warteten, wir hatten täuschend echte Pistolen, die Skimützen und unsere Mountainbikes, die als Fluchtfahrzeuge dienen sollten. Jurij schlug vor uns ein Auto zu besorgen. Ein Fluchtwagen sei einfach professioneller, meinte er. Mercedes, Porsche, BMW – hätte er alles im Angebot. Sogar die Farbe könnten wir uns wünschen. Aber wir ließen uns nicht darauf ein. Das heißt, ich lehnte ab und Tom nickte dazu. Es war immer noch ein Spiel. Dachte ich. Da hätte ein echter Autodiebstahl nicht hineingepasst.
     
    Wir wollten das nicht. Ich sag’s noch mal. Weil es wahr ist. Weil ich keinen Grund hab, zu lügen. Und weil Jurij und Tom meine besten Freunde waren. Es war alles bloß ein großer Spaß, glauben Sie mir. Und wenn es an dem Mittwoch nicht zu schneien begonnen hätte, wäre sowieso nichts passiert. Nichts Schlimmes jedenfalls.

3.
    Am Morgen fielen große Flocken, seit Jahren hatte es um diese Zeit nicht mehr so geschneit. Selbst von den Lehrern konnte sich niemand an einen ähnlich starken Schneefall erinnern. Als wir nach der sechsten Stunde die Schule verließen, waren überall Räumfahrzeuge unterwegs. Sie mussten mit Licht fahren, der Schnee hatte sich wie ein dichter weißer Vorhang über die Stadt gelegt. Meine Mutter arbeitete wie immer am Mittwoch im Blumengeschäft. Von dort aus rief sie an, dass sie nicht wisse, wann sie nach Hause kommen werde, die Busse hingen fest. Ich solle mir die Nudeln aufwärmen und Schularbeiten machen. »Deine Freunde wirst du bei dem Wetter ja wohl nicht treffen«, sagte sie, bevor sie auflegte.
    Da irrte sie sich. Natürlich traf ich mich mit Jurij und Tom. Kalt war es in unserer Hütte, saukalt. Ich hatte Angst, mir frieren die Finger ab. Oder die Ohren. Ich hab schöne Ohren und tolle schwarze Haare, das sagt jeder. Vielleicht bin ich ein bisschen groJ3 und in den Schultern zu breit. Aber meine Ohren sind in Ordnung, die mag ich. Jedenfalls brauchten wir so schnell wie möglich einen Ofen. Zu Jurij oder Tom konnten wir nicht gehen. Die hatten derartig kleine Zimmer, dass man schon Platzangst kriegte, wenn man nur zu zweit war. Und bei mir zu Hause? Da waren sie zu den beiden so unfreundlich, dass ich lieber darauf verzichtete, sie mitzubringen.
    »Bald sind wir in Australien«, sagte Jurij. Seine Worte verwandelten sich in durchsichtige Wolken, die Richtung Fenster schwebten.
    Tom grinste, sagte wie üblich aber nichts.
    »Dann liegen wir in einem coolen Hotel am Pool und trinken Cocktails«, fuhr Jurij fort.
    »Und hinterher bist du blau und wir müssen dich ins Zimmer tragen«, sagte ich.
    »Wir haben uns noch gar nicht angeguckt, wie es in der Sparkasse aussieht«, sagte Tom, nachdem wir ein paar Minuten geschwiegen hatten. »Wir sollten wenigstens wissen, wo die Überwachungskameras hängen.«
    Jurij nickte. »Du hast Recht. Los, wir fahren gleich hin.«
    Zum Schutz gegen die Kälte zogen wir unsere präparierten Skimützen bis zum Kinn. Im grauen Dämmerlicht der Hütte sahen wir plötzlich wie echte Bankräuber aus. Obwohl es überhaupt keinen Grund dafür gab, bekam ich Angst, es war ein Gefühl wie vor Klassenarbeiten. Am liebsten wäre ich nicht mitgefahren.
    »Was ist mit den Pistolen?«, fragte Jurij.
    »Die brauchen wir nicht«, antwortete ich.
    Im Steinbruch lag der Schnee zwei Handbreit hoch. Mit unseren Mountainbikes kamen wir nur mühsam voran. Die Hinterräder drehten durch, einmal wäre ich fast gestürzt. Auf der Hauptstraße hatten sie in der Zwischenzeit gestreut, dort ging es besser. Allerdings machte uns der böige Gegenwind zu schaffen. Unterwegs bewarfen uns Kinder mit Schneebällen. Tom drohte ihnen mit der Faust, Jurij sprang vom Rad und feuerte

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