Novemberschnee

Geschichte auf dem Papier steht, geht es mir viel besser. Letzte Nacht hab ich zum ersten Mal wieder richtig geschlafen. Bis zum Wecken. Bis das Gerenne auf den Fluren losging. Machen Sie mit meinem Bericht, was Sie wollen. Geben Sie ihn meinetwegen den Zeitungen oder dem Fernsehen. Vielleicht hört ja dann endlich dieses blöde Geschwätz auf.

Epilog
    Lina Marx wurde in einem Indizienprozess wegen Bankraub und Autodiebstahl zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Anklage wegen Mordes an Jurij Holzmann und Tom Gatow wurde fallen gelassen. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe ist Lina Marx seit einiger Zeit wieder in Freiheit. In der Haft hat sie ihren Realschulabschluss gemacht und beginnt demnächst eine Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin. Daneben strebt sie mit Hilfe ihres Anwalts eine Wiederaufnahme des Verfahrens an.
    Einige Wochen nach Ende des Prozesses erlitt der Vater von Lina Marx einen Schlaganfall und starb wenige Tage später. Ihre Mutter ist inzwischen nach Frankfurt verzogen und hat dort eine Stelle als Küchenhilfe in einem Hotel angenommen. Obwohl eine Boulevardzeitung einen Teil der Prozesskosten übernommen hat, ist Ingrid Marx hoch verschuldet.
    Während des zweiwöchigen Prozesses blieben die Angestellten der Sparkasse Luisenstraße bei ihrer Version, Tom Gatow habe sie mit einer Pistole bedroht. Da sich kein Zeuge fand, der die gegenteiligen Angaben von Lina Marx bestätigen konnte, sah das Gericht den Tatbestand des Bankraubes als erwiesen an.
    Was den Tod von Tom Gatow und Jurij Holzmann angeht, war eine Beteiligung von Lina Marx nicht nachzuweisen. Sowohl der Gutachter der Staatsanwaltschaft wie auch der Gutachter der Verteidigung verwickelten sich in Widersprüche. Letztlich folgte das Gericht den Ausführungen des Verteidigers, der in seinem Plädoyer ausführlich aus dem schriftlichen Bericht der Angeklagten zitierte. Die Pistole, mit der Jurij Holzmann erschossen und Tom Gatow schwer verletzt worden war, wurde im Übrigen bis heute nicht gefunden.