Novizin der Liebe
dies alles, was sie besaß – sehr wenig, wenn man bedachte, dass sie die Tochter eines Thane war, eine Adlige. Was würde sie denken, fragte er sich, wenn sie wüsste, dass er keinen einzigen Tropfen blauen Blutes in den Adern hatte? Würde sie sich von ihm abwenden und das Weite suchen, so wie ihre Schwester? Würde sie ihr hübsches Näschen in die Höhe strecken und …? Gewiss hätte sie ihm diesen überstürzten Antrag nicht gemacht, wenn sie von seiner bescheidenen Herkunft gewusst hätte. Aber … Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Derartige Überlegungen führten zu nichts.
Jetzt im Spätherbst wuchs nichts mehr im Kräutergarten. Hier ragten die dürren Überbleibsel irgendeines Krauts aus der Erde, dort welkten braune, frostgeschädigte Wurzelspitzen vor sich hin. Adam war kein Gärtner, doch er konnte sehen, dass dieser Garten sorgfältig angelegt und gepflegt worden war. In der Mitte stand ein knorriger, blattloser Apfelbaum. An seinem Stamm lag ein kleines Bündel.
Lady Cecily hatte ihn noch nicht bemerkt. Sie bückte sich, um ein paar leuchtend rote Hagebutten von einem Wildrosenstrauch zu pflücken, die sie gedankenverloren in den zurückgeschlagenen Ärmel ihres Habits steckte. Es war eine nonnenhafte Geste. Als er beobachtete, wie sie die Pflanzen betrachtete, erkannte Adam ihre Liebe zu diesem Garten in jeder ihrer Bewegungen, in der Art, wie ihre Finger zärtlich über einen Rosmarinbusch strichen, über die Blätter eines Lorbeerbaums … Mit einem Mal durchfuhr ihn ein unangenehmer Gedanke. Entsprang sein Wunsch, diese Frau als Dolmetscherin mitzunehmen, reiner Selbstsucht? Stellte er sich einer wahren Berufung in den Weg? Sie in diesem Garten zu beobachten ließ Zweifel ihn ihm aufkommen, gestern jedoch – gestern in der Pförtnerloge – hatte er diesen Eindruck nicht gehabt.
Nein, er tat kein Unrecht, wenn er sie mitnahm. Cecily Fulford und die Priorin konnten einander nicht ausstehen, und Anzeichen für eine besondere Berufung gab es auch keine. Cecily Fulford mochte diesen Garten lieben, das Klosterleben hingegen liebte sie nicht. Sie hatte ihn gebeten , sie mitzunehmen, was an sich schon höchst rätselhaft war. Es würde andere Gärten geben, und er selbst würde aufpassen müssen, dass er angesichts ihrer Anziehungskraft nicht vergaß, dass sie gewiss Gründe für ihren Heiratsantrag gehabt hatte. Und nicht einen Augenblick lang würde er vergessen, welchen Schmerz Liebe verursachen konnte – jene quälende Leere nach Gwenns Tod. Niemals wieder wollte er etwas Derartiges durchmachen, nicht einmal für eine Schönheit wie Lady Cecily. Er würde sie heiraten, wenn sie einwilligte, mit Vergnügen sogar, doch diesmal würde er es als eine Art Geschäftsvorgang betrachten. Sein Herz würde er nicht noch einmal verschenken.
Ein Rotkehlchen ließ sich auf einem Zweig des Apfelbaumes nieder. Adam räusperte sich und rief sie bei ihrem weltlichen Namen – ihrem wahren Namen. „Lady Cecily?“
Das Rotkehlchen flog davon. Sie wandte sich um und wich hastig einen Schritt zurück, als sie ihn erblickte. Sein Kettenhemd – es missfiel ihr. Er hatte gut daran getan, es gestern abzulegen.
Ihre Wangen waren weiß wie Alabaster. Er sah, wie sie schluckte. „I…Ihr seid bereit zur Abreise, Sir Adam?“
„Ja.“
„Auch ich bin bereit. Ich habe gestern allen Lebewohl gesagt.“ Sie ging auf ihn zu, hielt am Apfelbaum inne, stützte sich mit der Hand an den Stamm und hob ihr Bündel vom Boden auf.
Als er es ihr aus der Hand nahm, fiel Adam auf, dass sie jede Berührung mit seinen Fingern vermied. „Ist das alles?“
Sie nickte. Ihr Blick war wachsam, so als habe sie sich noch nicht an sein verändertes Aussehen gewöhnt. Fürchtete sie sich vor ihm? Oder schlimmer noch: Hasste sie ihn? Adam wollte, dass sie Zuneigung zu ihm empfand, gab jedoch zu, dass dies nicht einfach war. Schließlich war er als Eroberer in ihr Leben getreten. Nein, so naiv, zu glauben, Lady Cecily habe ihm um seiner schönen Augen willen einen Antrag gemacht, war er nicht. Sie musste irgendeinen Hintergedanken gehabt haben. Fulford Hall wiederzusehen? Sich um die Leibeigenen ihres Vaters zu kümmern? Dem Kloster zu entfliehen?
Verstohlen blickte er auf ihren Mund, auf ihre rosigen Lippen, die sich ihm entgegenhoben, und fragte sich, wie die Welt solche Schönheit nur zum einsamen Dahinwelken hinter Klostermauern verdammen konnte. Wahnsinn – es war reiner Wahnsinn. Diese Lippen waren zum Küssen geschaffen, und er
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